LETZTE INSTANZ: Ziemlich "open minded"-
subKULTur - Interview mit Holly
am 14.03.2001
E-Werk Erlangen
   

Nach Veröffentlichung der neuen Scheibe "Kalter Glanz", begab sich die LETZTE INSTANZ auf eine Mega-Tour die sich sehen lassen kann. Vor dem Konzert in Erlangen stellte sich uns Holly, der zweite Sänger der Band, recht auskunftswillig zu einem kleinen Plausch zur Verfügung. Dabei gestattete er uns sehr interessante Einblicke in den Musikeralltag. Außerdem erfuhren wir nebenbei, daß Toleranz relativ ist und, naja, daß es noch andere Menschen gibt, die solche komischen Eßgewohnheiten haben, wie unser Chefred. :-)

Wie ist denn die Tour bisher gelaufen?

Gut. Es ist heute der neunte Auftritt. Am Anfang zwei Gigs im Osten, in Clubs in denen wir sowieso dick drin sind. Die Termine in Hamburg, Köln und Osnabrück liefen nicht so gut, wir hatten uns da mehr erhofft. Im Endeffekt sind wir aber selber schuld, weil wir das Programm komplett auf die neue Platte ausgerichtet haben und zu diesem Zeitpunkt die Platte noch gar nicht erschienen war. Die Leute erwarteten natürlich den Style und die Stücke von "Das Spiel..." und waren dann etwas vor den Kopf gestoßen. Diese Woche lief es richtig an. Stuttgart und gestern Frankfurt waren richtig geil. Ich bin gespannt wie es heute Abend wird, denn hier in der Region waren wir noch nie (Konzert am 14.04. im E-Werk, Erlangen. Anm. d. Verf.).

Wie kam es dazu, daß ihr aus der Medieval- / Folk- Schublade ausgebrochen seit?

Wir sind nun mal nicht wie andere Bands in der Szene, wir gehen nicht auf Mitelaltermärkte und bauen unsere Instrumente selbst. Uns interessiert sowieso schon immer mehr die Klassik. Das Mittelalter war immer eine Facette von uns. Und wir haben auch Spaß daran. Wir wollen nicht versuchen etwas zu machen, was andere eigentlich viel besser können. Andere leben das, wir nicht.

Natürlich haben wir uns überlegt, wohin wir soundtechnisch mit der neuen Scheibe wollen. Die letzte Platte war zwar zufriedenstellend, der Sound hat aber für uns nicht so ultimativ gekickt. Wir haben Kompromisse in der Musik gesucht um mit dem Sound mehr an richtig große Produktionen ranzukommen. Wir haben mehr aufgeräumt, sind mit der Instrumentierung minimalistischer geworden. Wir spielen harte Sequenzen auch mal ohne Streicher. Ein harter Teil in dem eine Geige mitspielt kann niemals nach Hardcore oder richtig bösem Metal klingen. Wir spielen gerne mit Gegensätzen und die kann man nur schaffen, wenn man den Mut hat zwischendrin ein Instrument wegzulassen.

Ihr seid also mit dem Ergebnis sehr zufrieden?

Einen Musiker der mit seiner Platte 100%ig zufrieden ist, den gibt’s nicht. Wenn die Platte raus ist, kann man sagen ob man aus dem vorhandenen Material das Beste gemacht hat, aber es gibt immer Ecken und Kanten, an denen man noch schleifen kann. Im Großen und Ganzen hat sich unsere Arbeit gelohnt. Wir haben ein Album gemacht, das zu uns paßt. Man kann sicherlich vieles verbessern und das werden wir auf dem nächsten Album auch wieder versuchen. Die Entwicklung wird weiter gehen.

Ist der Unterschied zur letzten Platte für euch sehr wichtig?

Ich finde der Unterschied ist gar nicht so groß. Wir sind einfach klarer und definierter geworden. Wir hatten noch 3 weitere, fertige Stücke, die mit auf die Platte sollten. Die haben wir aber dann weggelassen, weil das Album in sich geschlossen sein sollte. Man sollte sich auch für jede Platte eine neue Philosophie überlegen. Das haben wir mit "Kalter Glanz" gemacht. Die Scheibe sollte, nicht wie das Spiel ein Kramladen sein, wo alles drin vorkommt. Wir sind zwar Live ein Kramladen, wir spielen alles von super traurigen Balladen über Quatsch und Blödsinn bis hin zu beinhartem Crossover. Das bringen wir mit den Bandmitgliedern auch gut rüber. Die Platte allerdings soll was ausdrücken und nach allen Seiten offen sein.

Was drückt sie denn aus, wo ist denn der rote Faden?

Für mich sind es vor allem Robins Texte. Er ist erst kurz vor "Das Spiel..." zu uns gestoßen und einige Texte haben da noch andere geschrieben. Diesmal hat er das Album sehr stark geprägt. Eben durch die Texte, seine Art und auch durch ein paar musikalische Ideen. Robin schreibt keine direkten Texte und beschreibt auch keine Situationen. Er malt Bilder aus seinen Gedanken und Gefühlen, die in diversen Situationen entstehen. Es ist eine hintergründige Ehrlichkeit, auf die man erst mal erkennen muß. Das ist das neue an unserer Musik. Die Grundstimmung ist depressiv, was daran liegt, daß wir es auch etwas geworden sind. Wir hätten eigentlich mal eine Auszeit gebraucht. Die haben wir uns nicht gegönnt, weil wir unbedingt das Album fertig kriegen wollten. Daraus ist diese kleine Verzweiflung in den Stücken entstanden. Es paßt aber hervorragend zu dieser Zeit und dieser Welt. Es drückt aus, was ein halbwegs noch denkender Menschen heutzutage fühlen muß.

Da der Sound etwas popiger geworden ist, wird sicherlich auch der Vorwurf des kommerziellen Denkens auftauchen.

Was ist Kommerz? Wir gehen alle neben bei noch arbeiten und können noch lang nicht davon leben. Auch wenn wir in der ersten Woche 7000 Platten verkauft haben. Nur das Geld sehen wir frühestens nächstes Jahr und dann können wir mal drüber nachdenken unsere Instrumente abzubezahlen. Wenn wir kommerziell denken würden, dann würden wir andere Musik machen. Natürlich versucht man die Musik besser zu machen. Wir hatten im Studio mehr Zeit als beim "Spiel" und wir hatten auch Leute da, die ihr Handwerk richtig verstehen. Wir sind Kinder der heutigen Zeit. Nicht die verstaubte, 80er Jahre Metallica Platte sagt mir wo mein Sound hin muß. Sondern ich vergleiche natürlich, z.B. wie ist die Basstiefe bei einer Madonna Platte. Über die Musik brauchen wir nicht reden, aber diese Platten sind vom Produktionsstandard her Oberklasse. Da vergleiche ich dann und überlege, wie lege ich meine Musik an, wie mache ich meinen eigenen Sound. Und wenn es dann ein Stück popiger oder kommerzieller klingt finde ich überhaupt nicht schlimm.

Wie stark seht ihr euch denn mit einer Szene verbunden?

Das ist eine Frage, die in der Band viel diskutiert wird. Die "düstere Szene" ist uns super treu und ohne diese gäbe es uns nicht mehr. Das ist für mich nach wie vor ein Phänomen, denn ich finde uns gar nicht düster. Mir gefallen zwar viele Bands aus der Richtung, aber ich bin kein Grufti. Die Leute sind ausgesprochen tolerant und wirklich sehr treu. Gestern in Frankfurt z.B.: Ich kam erst kurz vor dem Auftritt ins "Nachtleben" und der Raum war komplett voll und nur "Schwarze", so richtig schön geschminkt, etc.. Und dann sind die zu unseren X-Over Stücken abgegangen... Wahnsinn! In der Szene haben wir irgendwie ein zu Hause. Es ist auch der Bereich, in dem wir den höchsten Marktwert haben. Ich persönlich sehe uns aber auch in Szenen wie der deutschen Alternative-, im NewMetal und auch mit der neuen Platte ein wenig im deutschen Rock. Wo ich uns nicht sehe ist eben im Metal-Bereich. Dazu haben wir auch nicht so Lust. Das mußt du aber nicht schreiben, denn sonst präsentiert uns der "Hammer" nicht mehr. *Grins* (zu spät :-b; Anm. d .Verf.). Natürlich wäre da auch noch der Folk Rock. Wir wollten aber einfach aus dem Schatten raus. Wenn jede Kritik mit "...klingen wie SUBWAY TO SALLY und IN EXTREMO..." beginnt, dann kriegst du irgendwann Komplexe.

Wie sind denn so die Aufnahmen und die Produktion gelaufen?

Es war ziemlich stressig, ein harter Kampf um die Platte. Das hört man ihr auch an und das ist gut so. Zum Beispiel bei "Kopfkino" waren vorher die Harmonien und der Text klar und die Beats und Loops haben wir im Studio geschraubt.

Marta von Die Happy und Sven von DREADFUL SHADOWS als Gastmusiker. Wie lief die Zusammenarbeit?

Hervorragend. Marta hatte absolut wenig Zeit. Der Kontakt lief über unsere Promoagentur. Sie tauchte plötzlich im Studio auf, wir hatten schon fast nicht mehr damit gerechnet. In einem halben Tag hat sie dann einige Parts übernommen und eingesungen. Sie hat zum ersten mal deutsch gesungen. Sie ist Tschechin und singt sonst nur Englisch. War echt spannend. Marta hat einfach Sex in der Stimme. Und Sven kenne ich schon seit Jahren. Wir haben noch ne düstere Stimme gesucht. Ich finde es cool mit Leuten von anderen Bands zusammen zu arbeiten. Einfach um zu zeigen, daß wir eine Familie sind.

Was für Musik bevorzugst du denn so privat?

Ich bin da ziemlich "open minded". Mir gefällt die neue Subway sehr gut. Ich mag Korn und Limp Bizkit und viele Sachen aus dem Gothic-/Düster- Sektor. Ich kann halt mit Black- Metal nicht viel anfangen. Bei Bands wie Dimmu Borgir, verstehe ich nicht so ganz, warum das überhaupt jemanden gefällt *feix*.

Da bist du bei mir an der falschen Adresse, aber wir wollen jetzt, auch wenn ich ein Black-Metal T Shirt anhabe, darüber nicht diskutieren.
(Die Wäsche war nämlich noch nicht trocken und ich hatte es mir nur geliehen- von unserem Metalmorphosis-Guru Master Of Pain)

Ich bin da aber tolerant. Es ist bei uns genau so. LETZTE INSTANZ macht seine eigene Musik hat seinen eigenen Stil. Wir stellen uns nicht hin und sagen "Kauf mich". Wenn es den Leuten gefällt und wenn es Spaß macht, dann ist es okay. Es ist einfach schön zu betrachten, wie sein Baby wächst und gedeiht. An einer Band hängt ja etwas mehr dran als die paar Musiker die ins Studio gehen und die Platte aufnehmen. Und wenn es aufhört zu wachsen, dann kann man es getrost zur Ruhe betten. Ich finde den Schritt von DREADFUL SHADOWS wirklich mutig. Die hätten noch ewig mit einem Schnitt von 300 Leuten durch Deutschland tingeln können. Sie haben sich aber dazu entschieden, es einfach zu lassen. Wenn es bei uns mal nicht mehr wächst und vorwärts geht, werden wir keine andere Musik machen sondern aufhören. Ich auch kein Problem damit, in meinem "normalen" Beruf wieder anzufangen.

Was machst du?

*kleinlaut* Ich bin Journalist in einer Nachrichtenredaktion *grins*. Ich sehe zwar nicht so aus... Es macht schon Spaß ist aber auf Dauer irgendwie deprimierend. Wenn ich wählen könnte, würde ich am liebsten weiter Musik machen und als zweites mich in Richtung Internet orientieren. Es ist einfach das Medium, das noch nicht so stark durch Lobbyisten kontrolliert werden kann. Man muß aber intelligent genug sein, um die Informationsflut und den vielen Mist entsprechend zu filtern.

Hast du eine Zukunftsvision?

Bezogen auf die Menschheit, sieht’s nicht gut aus. Ich finde es momentan relativ gut, was in Deutschland passiert. Die Bundesregierung unterschätzen einige. Wenn ich in die USA schaue wird mir verdammt schlecht. In Sachen BSE tun mir nur die Tiere leid, die Menschen nicht. Ich bin seit Jahren Vegetarier. Das haben sie sich selbst eingebrockt!

Vielen Dank.

H. von Sturzbach

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