WACKEN OPEN AIR 2007
(Metal, Matsch und Menschenmassen)

 

subKULTur.com
08/ 2007
Erlebnisbericht

 

Deutsche Festival-Kultur

Als ich vor neun Jahren zum ersten Mal nach Wacken fuhr - das Festival feierte damals sein 10-jähriges Bestehen - gab es neben dem Bang Your Head, dem With Full Force und eben dem Wacken Open Air kaum nennenswerte Metal-Festivals auf deutschem Boden. Rock Im Park oder Am Ring bedienen im Wesentlichen doch eine andere Zielgruppe und beispielsweise das Summerbreeze, das heuer in die zehnte Runde ging, steckte noch in den Kinderschuhen. Viel ist passiert in den letzten Jahren. Der Metal erlebt bis heute einen unglaublichen Boom und während der Sommermonate kann sich der reiselustige Headbanger jedes Wochenende zwischen zwei oder sogar drei Festivals entscheiden. Hoch über diesem Veranstaltungswust thront das W:O:A. Mit über 72.000 Teilnehmern ist es nicht nur das mit Abstand größte Open Air des Landes, sondern gilt als das weltweit wichtigste Event in Sachen Heavy Metal.


Der Superstau

Bei dieser Größenordnung hängt alles an der Organisation und was passieren kann, wenn der vorgesehene Plan kurzfristig geändert werden muss, demonstrierte der Mittwoch - der Tag der Anreise. Nach sechs Tagen Dauerregen und 350 Litern Wasser auf dem Quadratmeter standen Festivalgelände und Zeltplätze unter Wasser, bis zu den Knien versank man angeblich im Morast und an einigen Stellen hatten sich regelrechte Seen gebildet. Durch das Verteilen von 600 Ballen Stroh und 150 Tonnen Holz-Hackschnitzel, das Ziehen von Dränagegräben und den Einsatz eines Hubschraubers zur Trocknung der Fläche (!) konnte die Situation quasi in letzter Minute geklärt werden. Eine halbe Million Euro hat dieser Spaß die Veranstalter gekostet. Aber das sind vermutlich nur Peanuts verglichen mit dem finanziellen Fiasko, das eine Absage des Events mit sich gebracht hätte. Die Zeltplätze waren allerdings nach wie vor zu nass, um Autos darauf fahren zu lassen. Es musste umdisponiert werden. Die Vehikel mussten - sehr zum Unmut der Gäste - auf gesonderten Parkplätzen abgestellt werden und der Gang zum Zeltplatz erfolgte dann per pedes. In Wacken und Umgebung herrschte nun der Ausnahmezustand. Kilometerlange Staus, wo man sich auch befand. Von Hamburg nach Wacken, eine Strecke für die man sonst 45 Minuten benötigt, mussten bis zu 8 Stunden in Kauf genommen werden - Prost Mahlzeit! In Anbetracht der entsprechenden Verkehrsmeldungen hatte sich die subKULTUR-Crew entschlossen, das Gebiet Hamburg weiträumig zu umfahren und sich Wacken über die Landstraßen zu nähern. Das Konzept ging auf. Wir mussten zwar zwei mal ca. 45 Minuten auf eine Fähre warten, um den Nord-Ostsee-Kanal zu überwinden, aber den Stau konnten wir fast vollständig umgehen. Zudem lernten wir auf diese Weise wieder neue Winkel der reizvollen Schleswig-Holstein´schen Landschaft kennen.

Obwohl sich noch Tausende in ihren Autos befanden herrschte auf dem Festival-Gelände um 20:00 Uhr bereits reges Treiben. Nach so vielen Strapazen, die die meisten durchlitten hatten, war es ja auch nur selbstverständlich, dass sich das Groß der Besucher quasi aus dem Stegreif, aber gezielt um den Verstand gesoffen hatte und nun grölend und in überschwänglicher Euphorie über das Gelände stolperte. Das Zelt des Headbanger-Ballroom war jedenfalls derartig überfüllt, dass man keine Chance hatte, dort noch einen Fuß hineinzusetzen. Also marschierte ich mit Jan und Nana zum heuer erstmals eingerichteten Open-Air-Kino, wo der Film "Full Metal Village" mit englischen Untertiteln gezeigt wurde und die schwarze Masse sichtlich amüsierte. (Zwei Wackener Eingeborene erzählten uns Tags darauf, dass der Film in Wacken selbst doch mit einer gewissen Empörung aufgenommen wurde. Schließlich zeige er das Kaff - entschuldigung, die kleine Ortschaft natürlich - in einem völlig falschen Licht. In Wirklichkeit tanzt dort oben nämlich auch außerhalb des ersten Augustwochenendes der Bär...) Nach einem Spaziergang über die Camping-Grounds im Schein des beinahe vollen Mondes bekamen wir einen ersten Eindruck von den hier anwesenden Menschenmassen. Sich mit jemandem zu treffen war ein Ding der Unmöglichkeit, denn die Handynetze waren wie die Straßen vollkommen überlastet. Den wahren Umfang der Besucherzahl sollte man jedoch erst während der folgenden Tage vor den einzelnen Bühnen begreifen...

Cervisia et Circenses - Die Highlights des Festivals

Dass man sich bei über 90 Acts auf vier Bühnen nicht jeden einzelnen ansehen kann, liegt auf der Hand. Den Fans die Freiheit der Wahl gewährleisten zu können ist jedoch ein Motto der Veranstalter. Natürlich lassen sich Überschneidungen nicht vermeiden und so kann die Wahl auch schnell einmal zu Qual werden...


Donnerstag

Neben einem erweiterten Freizeitangebot gab es heuer auch auf dem Festivalgelände einige Neuerungen. Die Veranstalter hatten sich die Kritik der Fans bezüglich der Soundüberschneidungen der Party-Stage mit den beiden Hauptbühnen zu Herzen genommen und so erhielt die Party-Stage einen neuen und separierten Standort. Jan und Nana verschafften sich schon mal erste Eindrücke von der Lage…

"Die Party Stage (am Donnerstag auch Hellfest Stage genannt) fungierte an diesem Tag quasi als Auffangbecken der Metalcore-Fans, die den "alten" Heavy-Größen, wie Rose Tattoo, Sodom und Saxon nichts abgewinnen konnten. Als Opener wurden bereits um 17:00 Uhr THE SORROW aus Österreich mächtig abgefeiert. Die symphatischen Jungs - davon konnte man sich bei der Autogrammstunde am Metal Hammer Stand überzeugen - zählen mittlerweile nicht nur in ihrer Heimat zu den festen Größen dieser modernen Stilrichtung. Mit ihrer Mischung aus modernem Thrash, traditionellem Heavy Metal und ein wenig nordischem Todesblei sorgten die Vorarlberger bereits zur frühen Stunde für erste Mosh-Pits und Crowd-Surfer. Ein überaus gelungener Start ins diesjährige Festival.

Diese Vorlage nahmen NEAERA aus Münster gerne auf. Ihre Höchstgeschwindigkeitsnummern, die wohl am ehesten dem Death-Metal-Core zugeschrieben werden müssen, gönnten dem Puplikum keinerlei Verschnaufpause. Die geniale Mischung aus griffigen Harmonien und knallharten Riffs einerseits und der zwischen Death Grunts und Black Screams wechselnde Gesang andererseits lösten bei der ausrastenden Menge wahre Begeisterundsstürme aus."

Natürlich gab es an diesem Abend neben Metalcore auch einige denkwürdige Ereignisse, wie es mittlerweile Tradition für den Donnerstag in Wacken ist. SODOM, die deutsche Thrash-Legende aus dem Ruhrpott, der ich im Übrigen selbst meine Liebe zu diesem Genre zu verdanken habe, feiert heuer ihr 25-jähriges Bestehen. Frontmann Tom Angelripper war bestens gelaunt und nacheinander begrüßte er diverse ehemalige Mitstreiter auf der Bühne, die sich dann zu einigen Songs aus ihrer Schaffensphase ein Stelldichein gaben. Auf diese Weise wurde so manche wirklich olle Kamelle ausgegraben, die man schon seit Gezeiten nicht mehr live zu hören bekam - ein echter Best-Of-Abend sozusagen, der mit reichlichen Pyroeffekten auch optisch aufgepäppelt wurde. Dass Sodom nach wie vor das Zepter in der Hand halten, bewiesen aktuelle Stücke allá "Napalm in the morning" - ich glaube diese Kapelle wird uns noch lange erhalten bleiben.

Dauergast auf dem W:O:A und jedes zweite Jahr präsent sind die Altrocker von SAXON um Frontmann Biff Byford. Über 30 Jahre treiben sie nun schon ihr Unwesen auf diesem Planeten, zählen zu den wichtigsten Metal-Acts überhaupt und haben mit zahllosen Klassikern die Szene geprägt, wie nur wenige andere. Und obwohl ich die Herrschaften schon oft gesehen habe, ließ ich mir die zweistündige Show auch in diesem Jahr nicht entgehen. Mit "Heavy Metal Thunder" begann ein Reigen alter Klassiker und neuer Nackenbrecher, der die Massen einmal mehr von der ersten Reihe bis zum etwa 300 Meter entfernten Eingang begeisterte. Flammen und Pyros illuminierten wiederholt die Blackstage und auch ihr Maskottchen, den großen Adler, hatten die Sachsen im Gepäck. Nach kurzer Pause folgte als Zugabe noch einmal die geballte Ladung aus "Denim and lether", "Crusader", "Wheels of steel" und "The strong arm of the law" - absolut grandios!

Für alle, die keine zwei Stunden vor einer Bühne verbringen möchten, boten W.E.T.- und Party-Stage die willkommene Abwechslung. Auf letzterer war mit OVERKILL eine weitere Thrash-Legende zu bestaunen, die sich Nana und Jan nicht entgehen lassen wollten:
"Die "alten Hasen" des Thrash Metall sind auch in Wacken wahrlich keine Neulinge und spielten dieses Jahr schon zum wiederholten Mal auf den wohl bedeutendsten Brettern der Metalwelt. Einmal mehr lieferten die Routiniers eine hervoragende Show und gaben einen kleinen Vorgeschmack auf das im Herbst 2007 erscheinende Album "Immortalis".
Es gab wie immer alle Highlights zu hören, sehr beliebt natürlich auch "Fuck you" und immer ein Genuss für's Publikum. Die Band und ihre Fans zeigten sich in Bestform. Es soll tatsächlich Leute geben, die von Overkill nichts in Ihren CD-Ständern vorzuweisen haben, das würde ich schleunigst ändern. Und wer sie mal live gesehen hat, kommt aus dem Schwärmen nicht mehr raus - ehrlich, ausprobieren!"

Freitag

Bei wirklich feinstem Festival-Wetter konnte es nun losgehen. Eine ungewöhnlich große Menschenmenge hatte sich zu so früher Stunde auch schon vor der Black-Stage eingefunden, um sich die deutschen Folk-Metaller von SUIDAKRA anzusehen, die an diesem Tag vermutlich den Gig ihrer bisherigen Karriere hinlegten. Mit der Unterstützung eines Dudelsack-Spielmanns und einem wunderbaren Sound kamen die Stücke um Keltentum, Krieg und Ehre so richtig gut zur Geltung. Ich revidiere hiermit meine bereits wiederholt getätigte Aussage, dass diese Truppe eine lausige Live-Band ist.

Die Finnen AMORPHIS standen als nächstes auf meiner Liste, sie sollten nun auf der True Metal Stage auftreten. Als jedoch mit einem Mal dichte Rauchschwaden vor der Bühne aufstiegen war klar: hier hat sich was entzündet. Vermutlich hatte ein Kippenstummel das flächendeckend ausgebreitete Stroh entflammt, das nun munter vor sich hinknisterte. Das Feuerchen breitete sich auch zügig aus und bald war die Bühne vor lauter Rauch gar nicht mehr zu erkennen. Aber da der Metaller an sich ja ein eher gemütlicher Typ ist und eh immer etwas länger braucht, geriet er (vorsichtshalber) nicht in Panik, sondern blieb fasziniert und wie angewurzelt stehen. Schließlich ist Feuer ja auch das Medium des Teufels und wie man spätestens seit Full Metal Village weiß, ist jeder Metalhead ohnehin von demselben besessen und opfert ihm auch mindestens ein Haustier in der Woche… Am Ende wurden die Schaulustigen dann doch von der Feuerwehr vertrieben und die hatten den Brand auch schnell im Griff.

Als unmittelbare Folge dieses kleinen Zwischenfalls musste die Running Order etwas geändert werden. NAPALM DEATH traten nun 30 Minuten früher als geplant auf der Black Stage auf, damit im Anschluss Amorphis ihren Gig nachholen konnten. Doch vorerst tobten sich die britischen Grindgötter auf der Bühne so richtig aus. Napalm Death waren vermutlich eine der brutalsten Bands des Festivals und knüppelten das letzte Restchen Kater aus den Birnen ihrer Anhänger. Ganz in seinem Element und regelrecht entrückt wirkte dabei Shouter Barney, der zu den Songs so wild auf der Bühne herumzappelte, dass man sich nicht sicher sein konnte, ob dies nun Enthusiasmus oder ein epileptischer Anfall war…

Mit dem sensationellen Comeback-Album "Eclipse" hatten AMORPHIS ihre Durststrecke eher durchschnittlicher Alben beendet, waren bestens motiviert und wagten sich bei ihrem Gig sogar bis weit in die Anfangstage der Band zurück. Neben neuem Material boten die Finnen auch Songs aus der "Karelian Isthmus"-Phase, als ihr Liedgut noch als lupenreiner Death Metal durchging. Höhepunkt des Auftritts war - wie zu erwarten - die großartige Hymne "Black Winterday".

Opulent ging´s auch gleich weiter auf der nun gotisch ausgestatteten True Metal Stage, als die acht Musiker von THERION ihren Platz dort oben einnahmen. Diese Truppe um Mastermind Christopher Johnsson ist nicht nur ein auditiver, sondern auch ein optischer Genuss. Mit vier klassisch ausgebildeten Sängerinnen und Sängern starteten die Schweden den theatralischen Höhepunkt des Festivals zwischen Oper und Heavy Metal, voller Leidenschaft und Härte. Hier sind die Musiker auch Schauspieler und sie wussten ihr Liedgut ausdrucksstark in Szene zu setzen. Nichts gegen Klassiker vom Theli-Album allá "To Mega Therion", aber die neuen Stücke der letzten beiden Doppelalben sind einfach der Hammer und live eine wahre Herausforderung, die allerdings bravourös gemeistert wurde. Hut ab!

Mit dem Auftritt von POSSESSED auf der Black Stage folgte ein denkwürdiger Augenblick, der als solcher eigentlich am Donnerstag - in der Night To Remember - besser aufgehoben gewesen wäre. Diese Thrash-Ikonen hatten es 1985 immerhin geschafft, mit ihrem Album "Seven Churches" den damaligen Härtegrad ihrer Zunft völlig neu zu definieren und legten den Grundstein für Death und Black Metal. Ende der 80er hatten sich Possessed aufgelöst. Einige Jahre später wurde Sänger Jeff Beccerra auf dem Weg zum Bäcker von einer verirrten Kugel getroffen und ist seitdem von der Hüfte abwärts gelähmt. Heute sind die Amis wieder aktiv und der Auftritt in Wacken stellte ihre erste Live-Aktivität seit den späten 80ern dar! An den Rollstuhl gefesselt schrie und kreischte sich Beccerra durch das einstündige Set und bewies, dass man auch trotz Behinderung so richtig abrocken kann. Possessed beendeten diesen beeindruckenden Auftritt mit dem Kult-Hit "Death Metal", nach dem immerhin ein ganzes Genre benannt werden sollte…

Ich wollte mir einfach keine Pause gönnen an diesem Tag, und so stand ich im Anschluss schon wieder vor der True Metal Stage, um mich einmal mehr zusammen mit tausenden Fans durch das Liedgut der deutschen Metal-Teutonen GRAVE DIGGER zu grölen. Oft habe ich sie schon gesehen und oft von ihnen berichtet. Im Grunde braucht man auch kein Wort mehr über diese Combo zu verlieren. Abgesehen davon, dass ich mich mit den letzten beiden Alben ums Verrecken nicht anfreunden kann, lieferten Boltendahl und Co. einmal mehr einen souveränen Auftritt, an dem alle Fans ihre Freude hatten. Heavy Metal Breakdown!!!

Eigentlich wollte ich mir nun auch noch Falconer gönnen, doch meine mittlerweile platt gelatschten Füße befehligten mich zum Zelt, um nun doch eine kurze Pause einzulegen. Die war auch nötig, denn es folgten noch eine Reihe großartiger Kapellen an diesem Freitag…

J.B.O. - ein Beitrag in fränkischer Mundart ;-)
Des is unglaublich, aber um kurz vor Simma worn wohl suh viel Leid aufm Fesdival-Gelände, wie den ganzen Dohch nu ned, und des bloß um sich die frängische Gaudi-Drubbn aus Erlangen ohzuschaua. Die sin oba ah an Bligg werd, wenn ned sugoa zwah! Ganz in Rosa, wie mas hald vo inna gwohnd is, nehmas alles auf die Schibbn, wos inna vor die Gidarre kummd. Wos ned nied- und naglfesd is, wird bei denna verfrängld. Nadürlich grichd ah der Oberbayer midsamd seiner Eloqunezbesdie vo Minisderpräsidend ordendlich sei Fedd weg und der Griechische Wein mudierd glei amol zum Frängischen Bier. Die Leid ham jedenfalls an riesen Spaß g´habd und beim "Guten Tag zum Sterben" hams ah fleißig midgsunga. Überhaubd zündn die Lieda vom "Exblizide Lyrics"-Album hald doch nu am besden. Bloß schad, dass suh schnell widda vorbei woa.

Zurück zum Ernst des Lebens: denn nun galt es, zur benachbarten Party-Stage zu wandern um sich dort die Nordmänner von ENSLAVED anzusehen - und die verstehen so gar keinen Spaß. Ihre einst grimmige Mischung aus Black und Viking Metal war in letzter Zeit zwar mehr und mehr progressiven Tönen gewichen, dass diese aber die gleiche Durchschlagskraft besitzen wie der alte Stoff, konnten die Norweger bei diesem rundum gelungenen Gig unter beweis stellen und wurden von ihren Fans kräftig abgefeiert.

Es war an der Zeit für den ersten Headliner des Abends, BLIND GUARDIAN war sein Name und der wurde um 21:15 Uhr bereits von tausenden seiner Anhänger sehnsüchtig erwartet. Bei diesen Tolkien-Jüngern ist gute Laune einfach vorprogrammiert. Mit der Mimik eines begeisterten Geschichtenerzählers animierte Sänger Hansi Kürsch die Fans zum Mitsingen und so wurde eineinhalb Stunden lang ausgelassen gefeiert. Nach kurzer Pause erklangen schließlich "Imaginations from the other side", "Lord of the rings", "This will never end" und "Mirror mirror" als Zugabe. Schade, dass in Sachen Bühnen-Show außer ein paar Feuerschalen während der Zugabe kaum etwas geboten war. Das gehörte sich schon für einen Headliner in Wacken. Aber der brave Guardian-Fan ist ja eh zufrieden, wenn er beim "Bard´s song" kräftig mitsingen darf…

Wo eben noch friedliche Harmonie und fröhliches Treiben herrschten sollte nun das Chaos ausbrechen: die Black Stage in höllisches Rot getüncht, ein bombastisches Intro und schon ging´s los. Mit den ersten Noten von DIMMU BORGIRs "Progenies of the great apokalypse" war vor der Bühne kein Halt mehr. Ein einziges Schieben und Drängen, Mosh-Pits und duzende von Crowd-Survern, die man im Minutentakt über seinen Kopf befördern musste, lenkten wiederholt vom Zusehen ab. Dabei gab´s wirklich einiges zu sehen: neben dem martialischen Outfit der Musiker mit Facepainting, Lederpanzern und jeder Menge Spikes und Nieten untermalten Feuer und Pyros gemeinsam mit einer opulenten Lightshow das boshafte und doch massentaugliche Liedgut. Wer was sehen wollte, musste sich behaupten. Drum ging´s auch ganz schön aggressiv im Publikum zur Sache. Der Gig erreichte seinen Höhepunkt während der Zugabe: "Spellbound" und "Mourning palace". Völlig durchschwitzt schleppte ich mich nach diesem Zirkeltraining zum Zelt, von ICED EARTH kann ich daher nichts berichten.

Verlorene Energien waren bald wieder aufgeladen, die APOKALYPTISCHEN REITER hatte ich erst kürzlich gesehen und da mir nach wie vor ein Schauder über den Rücken läuft, wenn ich an SAMAELs letzten Live-Auftritt 2005 in Wacken denke, drängelte ich mich um 2:00 Uhr ins Zelt der W.E.T.-Stage, um mir die norwegischen KAMPFAR anzusehen. Die konnten mit ihrem Viking- / Black Metal an das bisher erlebte jedoch nicht im Geringsten anknüpfen. Dazu kam noch, dass in diesem verfluchten Zelt nicht nur eine Affenhitze herrschte, sondern auch kein Lüftchen wehte. Glaubt mir, wenn in diesem Gedränge etwas abgestellt wurde, blieb es auch verdammt lange stehen. Und da ein gar grausiger Bläh-Boy in meiner Nachbarschaft vom Abstellen gar nicht genug kriegen konnte und ich das eine ums andere Mal mit dem Brechreiz zu ringen hatte, entschloss ich mich, dann doch wieder das Freie zu suchen, ehe mich meine Sinne verlassen hätten.

Im Vorbeigehen bemerkte ich schließlich, dass die REITER zwischen ihren Songs exakt die gleichen Ansagen und Scherze von sich gaben, wie auf ihrer letzten Tour… seid mir mal nicht böse, aber das ist wirklich armselig.
Meinen Warnungen zum Trotz hatte sich Nana schließlich um 2:00 Uhr etwas müde und ausgepowert dann doch noch Richtung Party-Stage geschleppt, um sich SAMAEL anzusehen: "Anfängliche Neugier wandelte sich schnell in totale Begeisterung. Die Schweizer Black Metal Band, die 1987 gegründet wurde, hat natürlich einiges an Material vorzuweisen... und freilich einen riesigen Haufen wahrer Fans, die sich richtig ausgetobt und verausgabt hatten, aber ebenso glücklich und zufrieden eine Stunde genossen hatten."… manche Leut´ graust´s halt vor nix ;-)


Samstag

Nach dem Band-Marathon am Freitag ließ ich den dritten Festival-Tag ein wenig ruhiger angehen und nutze die Zeit, um durch die Non-Food-Meile und den Metal-Markt auf der Suche nach dem einen oder anderen Schnäppchen zu schlendern. Eigentlich wollte ich mir um 13:00 Uhr Sacred Reich ansehen, nur war ich dummerweise und rein zufällig natürlich im Metal-Markt, als dort die alljährliche STRIP-SHOW mit den GIRLZ FROM HELL ins Rollen kam - als ob es in dem Zelt nicht schon heiß genug gewesen wäre. Wer in der ersten Reihe steht kommt dran - das war schon immer so. Und wie jedes Jahr wurden auch dieses Mal wieder schaulustige Metalheads von den scharfen Stripperinnen auf die Bühne zitiert, um dann im Takt von Manowars "Warriors of the world" amtlich den Hintern mit dem Lederriemen versohlt zu bekommen... was für eine Gaudi!

Um 14:00 Uhr stand ich dann doch wieder vor der Black-Stage, um einen Blick auf MOONSPELL zu ergattern. Ich kenne die Portugiesen als erstklassische Live-Band, doch irgendwie wollte der Funken an diesem Tag nicht überspringen. Wie auch, wenn man Lieder über Vollmond und Finsternis bei grellem Sonnenschein und brütender Hitze serviert bekommt? Bandklassiker allá "Vampyria", "Opium" oder "Alma mater" durften zwar nicht fehlen, dafür gab´s aber auch eine Reihe wirklich belangloser Stücke. In Summe ein eher enttäuschender musikalischer Auftakt. Wär ich mal im Zelt bei den nackten Mädels geblieben…

Zeitgleich spielten die Senkrechtstarter HEAVEN SHALL BURN auf der Party-Stage. Und da unsere Nana auf Hau-Drauf-Mucke steht, führte an diesen Jungs kein Weg vorbei:
"Wie der Name schon sagt: der Himmel soll brennen, doch hier brannte schon eher der Boden unter den Füßen. Die Band hat das Publikum geradezu durcheinander gebracht, sichtlich stolz darauf, das zweite Mal in Wacken spielen zu dürfen. Da kann man mal sehen, dass selbst Veganer durchaus Power besitzen :-) Ein richtig spaßiger Sänger animierte die Leute mehrfach zum Crowd-Surfen und versprach allen Folgsamen ein T-Shirt. Denn von denen hatten sie reichlich mitgebracht… natürlich zum Kaufen am Stand. Auch wurde dazu aufgefordert, gesammelt einen Kreis zu laufen, um dann, wenn man die riesen Runde gedreht hatte, doch bitte vom Dönerstand was auf die Bühne mitzubringen - lauter solche Spielchen eben. Dass die Band gegen Rassismus und Faschismus ist, wurde natürlich auch zur Sprache gebracht (da muss man ja auch drauf rum reiten, wenn man schon politisch korrekt ist - Anm.Dagger). Also die Jungs aus Thüringen haben wirklich für mächtig Stimmung gesorgt - danke an dieser Stelle."

Wer sich um 17:15 wunderte, warum das Schlagzeug auf der True-Metal-Stage nicht wie gewohnt in Bühnenmitte, sondern ganz außen am Rand platziert wurde, wusste offenbar nicht, dass RAGE an diesem Abend Unterstützung von einem kompletten Ensemble bekamen. Das LINGUA MORTIS ORCHESTER, mit dem Rage bereits drei Alben eingespielt haben, war aus Minsk angereist, um gemeinsam mit der deutschen Metal-Legende für Stimmung zu sorgen. "From the cradle to the grave" bildete den Auftakt eines beeindruckenden Konzerts, bei dem man im Wechsel die Matte kreisen oder klassischen Tönen lauschen konnte. Auf charmante Weise lotste Frontglatze Peavy Wagner die begeisterten Massen durch ein Set, das mit "Higher than the sky" seinen Höhepunkt erreichte. Phantastisch! Und der Metaller ist eben doch auch Klassik-Fan.

So richtig kultig ging´s nun auf der benachbarten Black-Stage zur Sache. Da haben DESTRUCTION doch tatsächlich einen potthässlichen Glatzkopf gefunden, der ihrem Maskottchen, dem "Mad Butcher", wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Wild die Kettensäge schwingend kündigte dieser die Band an und erschien auch im Folgenden mehrmals auf der Bühne, um rohes Fleisch zu zerhacken und ins Publikum zu werfen oder einer der Zombie-Cheerleaderinnen, die auch noch dort oben herum sprangen, mit dem Fleischer-Beil den Hintern zu versohlen. Während ihres Best-Of-Programms holte Frontmann Schmier zudem wiederholt Musiker-Kollegen und alte Band-Mitglieder auf die Bühne, um gemeinsam abzurocken. Herrlich, wie Peavy Wagner - vom eben beendeten Gig noch völlig verschwitzt und mit Handtuch im Nacken - sich zusammen mit Blitz von Overkill und Onkel Tom Angelripper um ein Mikro gruppierte und mit Spickzetteln bewaffnet den Background-Chor bildete. Massenhaft Pyro-Effekte taten ihr übriges und lassen diesen Auftritt unvergessen bleiben.

Zeitgleich mussten sich die finnischen Folk-Metaller von TURISAS auf der W.E.T. Stage behaupten und Jan gesellte sich - todesmutig und dem Bläh-Boy ins Auge blickend - zu ihnen: "Warum die bunt bemalte und wild kostümierte Heldenhorde so beliebt ist, zeigte nicht nur das wieder einmal berstend volle Zelt, sondern auch die Stimmung der Fans, die vom ersten Song an die bombastischen Hymnen des aktuellen Longplayers "The Varangian Way" mit grölten. Die lustige und zum Teil auch selbstironische Truppe sorgte für Spaß und Party pur. Leider schien das ein fetter, glatzköpfiger 2 Meter-Security nicht so lustig zu finden und zog - besser gesagt prügelte - mit übertriebener Gewalt einen jungen Fan, der sich, um besser sehen zu können, auf das Seitengestänge des Zeltes gehangelt hatte, von dort oben runter und drängte ihn durch die Menschenmasse nach außen. Auch solche Seiten hatte das diesjährige W:O:A. Bleibt zu hoffen, dass dies ein Einzelfall war."

Gespannt war ich nun auf die Show der New Yorker Gothic-Rocker TYPE O NEGATIVE um Frontriese Peter Steele. Ganz im Geist der Band war die gesamte Black-Stage in giftiges Grün gehüllt und grün-schwarz kleideten sich auch die Musiker, als sie gemütlich auf die Bühne schlichen und erst mal einen tiefen Zug aus ihrer Rotwein-Flasche tätigten, ehe sie das Wort ans Publikum richteten. Keine Frage - es gibt kaum eine Kapelle, die mit soviel Coolness, Dekadenz und schwarzem Humor agiert. Aber ist es auch wirklich sooo cool, zwischen den Stücken wiederholt für mehrere Minuten zu verschwinden und den Gig dann noch zehn Minuten verfrüht zu beenden? Auf viele Band-Klassiker musste man vergebens warten und als die Musiker nach "Black No. One" auf nimmer Wiedersehen verschwunden waren, wusste ich nicht so recht, was ich von dieser Aufführung halten sollte.

So ging es mir übrigens auch, als sich Veranstalter und Crew des Festivals im Anschluss selbst die Weihrauch-Kelle um die Ohren schwangen und betonten, welch ernorme Leistung sie doch vollbracht hatten, um das W:O:A zu ermöglichen. Reden ist Silber, Schweigen ist gold - aber vielleicht war es auch nur Strategie, um sich vor enttäuschten Fans, die am Zelt ihre Autos vermissten, noch einmal zu rechtfertigen und die Situation zu schildern…

Die Sonne war mittlerweile unter- und der Mond aufgegangen: genau das richtige Ambiente für Black Metal. Wie Emperor im letzten Jahr gaben sich nun IMMORTAL die Ehre für einen ganz exklusiven Auftritt - die Band hatte sich ja vor einigen Jahren aufgelöst. Und wie bei Emperor fiel der Sound zunächst äußerst dürftig aus. Zum Glück konnte das Problem bald behoben werden und einem denkwürdigen Ereignis stand nichts mehr im Wege. Frontmann Abbath im obligatorischen Panda-Look ist einfach ein cooler Hund und weiß 50.000 Zuschauer mit hochgezogener Augenbraue zu lenken. In Sachen Charisma steckt dieser Recke die gesamte All-Star-Truppe der Dimmu Burger spielend in den Sack, denn trotz des Böse-Buben-Images, das im BM ja gepflegt werden muss, sitzt ihm der Schalk im Nacken. Die bislang spektakulärsten Pyro-Effekte untermalten die Hymnen der letzten drei Alben. Schließlich erweckte Abbath in seiner Roller als Feuerspucker noch eine alte Schwarzmetall-Tradition zu neuem Leben. Mit den Klassikern "Battles in the north" und "Blashyrkh - Mighty ravendark" endete eine superbe Vorstellung und vermutlich das Highlight aller anwesenden Schwarzkittel.

Die Schweden von IN FLAMES haben den Dreh raus und spielen genau die Art von Musik, auf die die Massen abfahren. Und so dürften sich um kurz nach 23:00 Uhr noch einmal etwa 90 % aller Festival-Besucher vor der True Metal Stage versammelt haben. Grund genug, um eine Pause einzulegen, denn die tat mittlerweile dringend Not. Das opulente Feuerwerk, das am Ende der Vorstellung über der Black-Stage den Nachthimmel erleuchtete war auch vom Zeltplatz aus gut zu sehen.

Nach dem Giftgasangriff von gestern Abend hatte ich mir zwar geschworen, keinen Fuß mehr in das Zelt der W.E.T.-Stage zu setzen, aber irgendwie hatte ich mich um 1:00 Uhr doch noch dazu durchgerungen, dem Laden eine zweite Chance zu geben und die Norweger 1349 wollte ich auch sehen. Vergeblich, wie sich herausstellte, denn die Zuschauer stauten sich bei meiner Ankunft schon bis weit ins Freie - keine Chance, da noch hineinzukommen. Aber wer weiß, vielleicht standen ja auch alle draußen und drinnen im leeren Zelt verblieb einsam ein fleißig abstellender Bläh-Boy und hatte die Band für sich alleine…
Spaß beiseite - wenn man sich als Fan die gewünschten Bands nicht mehr ansehen kann, weil man keinen Platz mehr findet, dann stimmt irgendwas nicht. Diese und diverse andere Situationen, wie z.B. der wiederkehrende Stau am Eingang zur Party-Stage verdeutlichten, dass das Festival hinsichtlich der Besucherzahl sein oberstes Limit erreicht hatte und dass sich die Organisatoren für 2008 wieder die eine oder andere Verbesserung einfallen lassen müssen.

In Wacken kann man zum Glück schnell umdisponieren und so marschierte ich zur Black-Stage und CANNIBAL CORPSE, die mit mörderisch lautem Sound noch einmal die letzten Energiereserven aus ihren Fans heraus kitzelten. Wie pflegt meine Mutter nach einem widerfahrenen Unglück doch zu sprechen: "Man weiß nie, für was es gut war". Wie wahr, denn hätte ich einen Weg ins Zelt gefunden, wo der Bläh-Boy tobte, wäre mir diese Abrissbirne aus Mensch, Gitarre und Schlagzeug entgangen. Scheinbar hat in unserem Land eine Gesetzesänderung stattgefunden, denn zum ersten Mal durften die Amis den bislang indizierten Song "Hammer smashed face" auch live zum Besten geben. Das war genau der richtige Abschluss für ein wunderbares Festival. Ich hätte mir zwar noch SUBWAY TO SALLY ansehen können, doch das hab ich schon im letzten Jahr getan und ihre Stücke hallten ohnehin bis zum Zeltplatz.


Nach Wacken ist vor Wacken! Und da das Highlight des Festival-Sommers ohne nennenswerte Zwischenfälle nun sein Ende gefunden hat, darf man sich schon auf das nächste Jahr freuen. Keine geringeren als IRON MAIDEN werden 2008 im hohen Norden der Republik erscheinen. Zudem haben bereits Größen wie AVANTASIA, KREATOR und CHILDREN OF BODOM ihr Zeichen auf die Setlist gesetzt… und ich bin sicher, MOTÖRHEAD werden auch noch kommen ;-)
In diesem Sinne: bis zum nächsten Mal!!!


PS: Entschuldigen möchte ich mich bei unseren Lesern, dass ich keine Fotos von den Headlinern bieten kann. Aber wenn man nicht mit einem Ausweis für den Fotograben gesegnet ist, hat man auch keine Chance, nach Sonnenuntergang das Treiben auf der Bühne für die Ewigkeit festzuhalten. Ich bitte daher um Verständnis.

Dagger

 


Trotz Sonnenschein waren einige Fleckchen noch nicht abgetrocknet...


... zum Spaß einiger Raufbolde


Suidakra mit Unterstützung


Nach dem Feuerchen vor der Black-Stage...


... sorgte die Feuerwehr weiteren Bränden vor.


Ekstatisch: Napalm Death


Die Damen und Herren von Therion sind Musiker...


... und Schauspieler zugleich.


Beeindruckendes Comeback: Possessed
 


Alte Hasen und stets mit Spaß bei der Sache: Grave Digger


Menschenmassen feiern mit J.B.O.


Nordisch und cool: Enslaved


Wer nicht in erster Reihe Stand, hat von der flotten Nancy nicht viel gesehen.


Trotz brennender Hitze um Theatralik bemüht: Moonspell


Peavy Wagner und Rage erhalten Unterstützung...


... vom Lingua Mortis Orchester.


The Butcher strikes back!!!


Bei Destruction ging´s heiß zur Sache...


und mit Blitz, Peavay und Tom, hat sich auch ein namhafter Background-Chor gefunden.


Pete Steele streichelt mit der Rotweinpulle seine Klampfe

 
       
 

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