WACKEN OPEN AIR 2005  ERLEBNISBERICHT

 

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2005

 

Die Gefährten - The fellowship of Wacken

Das Schicksal hatte mich in den vergangenen Jahren immer weiter von der Heimat entfernt nach Süden getrieben, bis ich mich schließlich Anfang 2005 in unmittelbarer Nähe der Grenzen Mordors, das in der Sprache seiner Bewohner auch Österreich genannt wird, niedergelassen habe. Hier, nur einen Kilometer von den Ausläufern der Stadt Minas Salzburg entfernt und durch die Saalach von dieser getrennt, begann ich einen neuen Lebensabschnitt. Und ich drohte gerade völlig in Arbeit zu versinken, als mich eine innere Stimme wachrüttelte und sich mein Blick gen Norden wandte. So verließ ich den Schatten des Ephel Duath, jenes sagenumwobenen Grenzberges, der auch Untersberg genannt wird, und begab mich auf die 1100 Kilometer lange Reise nach Wacken, dem Mekka aller Metalheadz, wie es einst Götz Kühnemund umschrieb.

Doch ich war nicht allein. So wie sich Stare instinktiv im Herbste sammeln und nach Süden ziehen, so treten  jährlich etwa 35.000 Metalheadz aus der ganzen Welt, ihrem Herzen folgend, die gleiche Reise an und streben aus allen Himmelsrichtungen der kleinen Ortschaft nahe Itzehoe entgegen. Mein eigener Weg führte mich zunächst nach München, wo ich auf meinen Bruder und Weggefährten Jason traf, um gemeinsam mit ihm weiter in die fränkische Heimat zu fahren.  Dort wartete bereits Jürgen auf uns. Nun waren die Gefährten vollzählig und dem Rest der Reise stand nichts mehr im Wege... 

Ein kleiner Spaziergang

Der Trip hatte sich, wie gewohnt und erwartet, lang und anstrengend gestaltet, doch schließlich war am Mittwoch gegen 18:00 Uhr das heiß ersehnte Ziel endlich erreicht. Da der Pressezeltplatz auch dieses Jahr wieder erst am Donnerstag geöffnet wurde, parkten wir nahe des Wackener Friedhofs und machten uns zu Fuß auf den Weg durch die Ortschaft zum Festivalgelände, wo an diesem Abend schon der Headbangers Ballroom offen stand. So ein Spaziergang durch die beschauliche Ortschaft ist eigentlich schon fast Pflichtprogramm während eines Aufenthalts in Wacken. Denn die Bewohner haben sich vollkommen auf das Mega-Event eingestellt, das Ihrer Ortschaft zu Weltruhm verholfen hat. In beinahe jedem Vorgarten finden sich Pavillons und Biertische. Jeder Wackener wird in dieser Zeit zum Schankwirt und Metal-DJ. Zu lächerlichen Preisen kann man hier Alkohol in jeder Form erwerben und wird dabei von allen Seiten mit Heavy Metal versorgt. Und weil man Bier bekanntlich nicht nur trinken sondern es auch lassen kann oder gar muß, sind entlang der Hauptstraße im 100-m-Abstand Dixis aufgestellt. Wunderbar!

Ziel des ersten Abends und zugleich der Grund für die frühe Anreise und die damit verbundenen Strapazen, eine Nacht zu dritt im Auto zu verbringen, ist der schon erwähnte Headbangers Ballroom. Hierher kommt man, um ausgelassen zu feiern, während DJs alle nur denkbaren Klassiker der Metalgeschichte auflegen. Am späten Abend hat im Rahmen einer Karaoke-Show dann jeder Besucher die Möglichkeit, vor einem enthusiastischen Publikum seinen Lieblingshit zum Besten zu geben. Schade nur, daß immer mehr Bubis meinen, sie müßten alte Heavy-Klassiker mal eben verdeathmetaln... zum Teufel mit Six Feet Under, die´s ihnen vorgemacht haben!

Die zwei Türme

Ich verdränge an dieser Stelle die Geschehnisse im Festzelt - die ältere Dame, die sich nackt an einem Headbanger nach dem anderen vergriff und zu guter letzt sogar unsern Jürgen das ein oder andere Mal erwischt hat - ich verdränge die ekelhafte Nacht im Auto und blicke zurück auf die wahrhaft wichtigen Dinge. Am Donnerstag um 16:00 Uhr wurde das Festivalgelände für die Besucher geöffnet. Dort erhoben sie sich aus dem Staub der Äcker, auf denen schon seit 15 Jahren Metalgeschichte geschrieben wird, die zwei Türme - die True Metal Stage und die Black Stage. Flankiert werden sie von der Party-Stage und der WET-Stage im Zelt. Wie die Mauern einer Burg ihr Allerheiligstes umschließen und behüten, so bildet eine lange Reihe von Food- und NonFood-Ständen einen Wall um diese Bühnen.

Noch ehe die ersten Noten aus den Boxen dröhnten, herrschte hier schon reges Treiben. Die meisten Lebensmittelhändler waren schwer im Geschäft und geboten wird für jeden Geschmack etwas. In der Pfanne, am Spieß oder auf dem Grill brutzeln Würstchen, Döner, Steaks und Burger ihrem unweigerlichen Endzweck entgegen. Besonderes Schmankerl in diesem Jahr war der Elchstand - hier gab´s Elchsteak, Elch-Bratwurst und Elch-Currywurst. Nich´ ganz billig, aber fein!

Cervisia et Circenses - die Highlights des Festivals (natürlich ganz subjektiv betrachtet)

Donnerstag

der Donnerstagabend läuft seit zwei Jahren unter dem Motto "A night to remember" und bildet mit wenigen aber auserlesenen Bands den Auftakt zu einem der weltweit wichtigsten Heavy Metal Festivals. Um 18:00 Uhr standen die norwegischen Gothic-Rocker Tristania als erste Band auf der Bühne und hatten die Ehre, das Festival zu eröffnen. Seit Sänger und einst kreativer Kopf der Band Morten Veland das Schiff verlassen hat, scheinen Tristania auf der Stelle zu tappen. An die Klassiker der ersten beiden Alben reichen die aktuellen Stücke ebenso wenig heran, wie Sänger Østen Bergøy an seinen Vorgänger Morten. Wenigstens die schöne Frontfrau und Aushängeschild Tristanias Vibeke Stene zeigte sich motiviert wie lange nicht und nutze ihre Sangespausen zu lasziven und anmutigen Tanzeinlagen - wohl sehr zum Gefallen aller männlichen Anwesenden... harrrr.

Während die Doom-Helden Candlemass schon mal die Kreuze auf der True Metal Stage aufbauten, legte ich eine kleine Pause ein und stand erst wieder bei der Braunschweiger Band Oomph! vor der Bühne, wo es mittlerweile ganz schön eng zuging. Oomph sind Grenzgänger, wie man sie nur selten findet. Zwar währen sie auf einem gothic- und elektrolastigen Festival wie dem Zillo wohl besser aufgehoben, aber auch in Wacken fanden sie jede Menge Anhänger. Elektro meets Hardcore meets Gothic heißt die Devise. Front-Psycho und Grimassenschneider Dero hatte sich extra in Schale geworfen und eine Art Zwangsjacke angelegt in der er sein krankes Spiel trieb, die Massen unterhielt und es sich nicht nehmen ließ, nach alter Gewohnheit ins Publikums zu springen und sich von den Fans der ersten Reihen tragen zu lassen.

Headliner und Highlight des Abends waren die finnischen Superstars Nightwish. Frontfrau Tarja ist wohl die Metaldiva ihrer Zeit. Und sie lebt ihre Rolle, sonnt sich in all der Anbetung und genießt mit Recht ihren hohen Status. Doch man sollte Nightwish nicht nur auf Goldkehlchen Tarja reduzieren. Wichtigstes Pferd im Stall ist und bleibt Keyboarder Tuomas Holopainen, der sich für all die ausgezeichneten Kompositionen verantwortlich zeigt. Auch der charismatische Bassist Marco Hietala ist aus dem Line-Up nicht mehr wegzudenken und bildet mit seiner klassischen Rockerröhre den Gegenpool zu Tarjas opernhaften Gesang. Während der Pink Floyd-Coverversion "Higher hopes" zeigte er, was in ihm steckt. Das Festivalgelände war mittlerweile proppenvoll und die Massen schlicht begeistert. Auf der Bühne schien alles perfekt aufeinander abgestimmt, sogar das Mikro paßte zu Tarjas Bekleidung und wechselte mit dieser im Laufe des Konzerts die Farbe. Den Schwerpunkt der Setlist bildeten die Songs des aktuellen Opus´ "Once", aber auch an alten Klassikern der Marke "Whishmaster" oder "The Kinslayer" mangelte es nicht. Die einzelnen Stücke wurden untermalt von zahlreichen Pyroeffekten. Die Zugabe bildeten Gary Moores "Over the hills and far away" und "Wish I had an angel", während dessen grandiosem Finale ein üppiges Feuerwerk den Wackener Nachthimmel erleuchtete. An diesen Abend wird sich mit Sicherheit manch ein Fan lange erinnern. 

Freitag

Während es das Wetter am Donnerstag noch gut mit dem Festival meinte, zogen ab Freitag immer mehr Schauer über unseren Köpfen hinweg. Durch den starken Wind dauerten diese zwar meist nicht lange an, waren dafür aber um so heftiger. Da konnte es schon mal passieren, daß einem innerhalb von fünf Minuten das Wasser in der Kimme stand und dank speckiger Lederhose dort auch für längere Zeit verweilte. Am Freitag wechselten sich Regen und Sonne gemäß dem Wackenmotto "Rain or shine" in schöner Regelmäßigkeit ab. Kurzzeitig wurde es sogar "heiß" genug, sich einen Sonnenbrand auf der Nase einzufangen... eigentlich ein perfektes Festivalwetter!  

Pünktlich um 11:00 Uhr standen Schwedens Naglfar bereit, um die Blackstage einzuweihen. Die Anzahl der Besucher ließ sich zu diesem Zeitpunkt schon sehen. Auch wenn man den ach so bösen neuen Vokalisten Kristoffer Olivius nicht so recht ernst nehmen will, zählen Naglfar unbestritten zu den besten Akteuren ihrer düstren Zunft. Songs wie "12th rising", "The Brimstonegate" oder "I am vengeance" sind absolute Killer, die auch schon zu so früher Stunde manch einen Nackenwirbel zu Bersten brachten.

Zeit für ein ausgedehntes "Frühstück" mit jeder Menge Elch! Für mich ging´s erst um 13:30 Uhr mit Sonata Arctica auf der True Metal Stage weiter. Ich hab zwar mit der aktuellen Power Metal Szene nicht sonderlich viel am Hut, aber Sonata Arctica zählen da definitiv zu meinen Favoriten, schon aus dem Grund, da sie ein hohes Maß an Eigenständigkeit besitzen. Die sympathischen Finnen brillieren durch  ansprechende Kompositionen ebenso wie durch exzellente Instrumentierung, wovon man sich an diesem Tag überzeugen konnte.  

Im Anschluß daran spielten zwei hoch interessante Acts zeitgleich auf Black und Party Stage. Finnischer Metal mit Folkloreeinflüssen steht derzeit verdammt hoch im Kurs und so gab´s auf dem diesjährigen W:O:A gleich drei Vertreter dieses Genres zu sehen: Finntroll, Turisas und Ensiferum. Letztere machten der Party Stage alle Ehre und steckten mit ihrer Leidenschaft und Spielfreude das Publikum förmlich an. Die fünf jungen Musiker mußten sich bestimmt schon mehrfach als Finntroll-Plagiat abstempeln lassen. Doch dieser Vorwurf scheint gänzlich ungerechtfertigt, da sich die Parallelen zwischen beiden Bands doch in Grenzen halten. Spätestens seit sich auf "Iron" neben traditionellen Heavy-Elementen auch noch Sounds der Marke alter Leone-Westernklassiker zwischen Death Metal und finnische Volksmusik geschlichen haben, kann man die Jungs mit keiner anderen Formation mehr verwechseln. Hier wird Innovation noch groß geschrieben. Die Stimmung vor der Bühne war grandios! Gummikeulen und -schwerter wurden fleißig im Takt geschwungen und an Crowdsurfern fehlte es nicht! 

Zeitgleich gab´s auf der Black Stage zwar weniger Innovation, dafür um so mehr Kult und Routine. Auf der Bühne stand die schwedische Allstar-Truppe Bloodbath, die ganz im Sinne ihres Namens mit kunstblutbeschmierten T-Shirts den Hörern geballten Death Metal schwedischer Gangart um die Ohren hauten. Anders Nyström, Dan Swanö, Jonas Renkse und Martin Axenrot sind allesamt Meister ihres Faches und Garanten für höchste musikalische Qualität. Zwar stand an diesem Tag nicht Peter Tätgren am Mikro, aber Opeth-Sänger Mikael Åkerfeldt erwies sich als absolut adäquater Ersatz und vermochte sogar mit seinen trockenen Ansagen einen Schuß Humor in das brutale Liedgut zu mischen. 

Wo wir gerade bei Death Metallegenden sind... um kurz vor 17:00 Uhr machten Obituary dort weiter, wo Bloodbath aufgehört hatten. Die fünf schon etwas älteren Herren zählen zu den Wegbereitern der Florida-Szene und ich muß zu meiner Schande gestehen, daß ich sie an diesem Tage erstmals zu Gesicht bekam. Auch wenn Ihnen Weltruhm, wie ihn Cannibal Corpse oder Six Feet Under heute genießen, verwehrt geblieben ist, so sind sie doch eine erstklassische Live-Band und wußten mich ebenso wie tausende anderer zu begeistern. Beschlossen wurde der Gig mit dem legendären "Slowly we rot".

Nach soviel Ceter und Mordio kann man sich auch mal wieder fröhlicheren Dingen zuwenden, wie etwa Edguy. Die Hessen zählen derzeit zu Deutschlands wichtigsten Power-Formationen und liefern ein exzellentes Album nach dem anderen ab. Vielleicht waren meine Hörgänge nach soviel Death Metal schon zu negativ gestimmt, aber irgendwie wollten mir die Jungs an diesem Tag so gar nicht zusagen. Egal, den Fans gefiel´s und neben der Musik gab´s auf der Bühne auch noch einiges zu erleben. War es Hyperaktivität oder Einfluß von Drogen?  Sänger Tobias Sammel nutze mehrmals seine Gesangspausen dafür, ungesichert die Bühnenaufbauten bis in 10 Meter Höhe hinauf zu klettern, um von dort oben dann weiter zu singen. Vielleicht hat er ja auch als Kind nur zu wenig Aufmerksamkeit bekommen...

Weiter ging´s mit einer weiteren Rockdiva unserer Zeit: auf einer fein im Gothic-Style dekorierten Black-Stage stand zwischen , mit Plastik-Efeu berankten Säulen und Ruinenfragmenten  Sharon den Adel mit Within Temptation. Mal abgesehen von den großen Hits der Band, die dank MTV den meisten wohl hinreichend bekannt sein dürften, muß ich zugeben, daß mir die Niederländer gar nicht mal sooo gut gefallen - sind für meinen Geschmack einfach zu weich gespült. Davon abgesehen loderte es förmlich im Publikum, wenn "Mother Earth", "Stand my ground", "See who I am" oder gar "Ice Queen" nebst Pyroeffekten zum Besten gegeben wurden. Den Vorwürfen, Sharon könne live den Ton nicht halten, kann ich mich zwar nicht anschließen, aber eines ist amtlich: tanzen kann die Gute nicht. Naja... Hauptsache´ die Brüst´ mittels Korsage bis zum Kinn geschnallt und beim Headbangen soweit nur irgend möglich nach vorn gebeugt... ich will gar nicht wissen, wie viele der Anwesenden schon alleine für diesen Ausblick vor der Bühne standen.

Auch wenn es an diesem Abend irgendwie keinen wirklichen Headliner zu geben schien, so hatten doch für viele Machine Head diese Rolle übernommen. Und das ist im Grunde schon außergewöhnlich genug, da Hardcore-Foramtionen auf dem W:O:A wohl eher zu den Ausnahmeerscheinungen zählen. Davon abgesehen ist die Bedeutung der Amis in der internationalen Metalwelt wohl unbestritten. Doch als ob sich Sänger und Mastermind Robb Flynn seiner "Außenseiterrolle" auf diesem Festival bewußt gewesen wäre, versuchte er sich bei den Massen einzuschmeicheln, was ihm auch gelang! "In America, you know, everybody covers the Wacken Open Air." Mit solchen Ansagen konnte er viele Herzen für sich gewinnen. Neben dem bandtypischen, brachialen Hardcore-Noten wurden die Anwesenden schließlich mit einem Medley der besonderen Art überrascht: auf Sepulturas "Territory" folgte Panteras "Walk". Schließlich sind die Jungs - was weniger erheitert - während Maidens "The Trooper" am Solo dann gescheitert :-) Hätte nur noch Slayers "Raining Blood" gefehlt. Doch das gab´s leider ebenso wenig zu hören wie Bandklassiker der Marke "Ten ton hammer" oder "Take my scars".

Im direkten Anschluß war auf der der Black Stage die Zeit reif für den Überraschungsgast des Festivals, der eigentlich schon lange keiner mehr war. Kultband Stratovarious gab sich für drei Songs die Ehre. Da dürfte "Hunting high and low" natürlich nicht fehlen.

Pause war angesagt! in Anbracht des noch bevorstehenden Corvus Corax-Konzerts schenkte ich mir Apokalyptica und schaute lieber noch mal bei der Party Stage vorbei, wo Gorefest dem Publikum kräftig einheizte. Die Niederländer zählen zu den wichtigsten Todesschwadronen ihrer Zeit und haben dabei ihren ureigenen Sound entwickelt, den man wohl am ehesten als Death `n´ Roll bezeichnen könnte. Death Metal trifft auf Motörhead, dazu die einmalige Röhre von Jan-Chris de Koeyer und Klassiker wie "Chapter 13" im Gepäck - das traf den richtigen Nerv des Publikums. Zum Dank wurden die Musiker enthusiastisch gefeiert. 

Voll Spannung erwartete ich nun um 00:45 Uhr den Auftritt der deutschen Mittelalterband Corvus Corax, die an diesem Abend mit Chor und Orchester ihre eigene Interpretation der Carmina Burana zu Besten geben sollten. Ich erinnere mich noch gut daran, dies mittelalterliche Liedgut der Vagantenlyrik einst im Lk Latein übersetzt zu haben. Nur hätte ich nie gedacht, es auch einmal in musikalischer Umsetzung auf einem Heavy-Festival erleben zu dürfen. Bekannt wurden die Carmina Burana ja durch Orffs bombastische Interpretation aus den 30er Jahren. Doch Corvus Corax haben die vorliegenden Texte musikalisch vollkommen neu interpretiert und so authentisch wie möglich in Szene gesetzt. Damit dies auch Live erlebt werden kann, wurde für die Uraufführung ihres neuen Werkes in Wacken gleich ein 60köpfiges Orchester inklusive Chor bereitgestellt, um den Horizont des Publikums gewaltig zu erweitern. Daß es bei solch einem klassischen Konzert nicht zugehen wird, wie etwa letztes Jahr bei Children Of Bodom, die ca. 5000 Crowdsurfer verbuchen konnten, war zu erwarten. Und doch wurde ausgiebig gefeiert, eben der Situation angemessen. So klatschte man im Takt oder machte es den Musikern nach und tanzte ausgelassen zu den Klängen der mittelalterlichen Instrumente. Optisch und musikalisch ein echtes Highlight!

Durch Kälte, Müdigkeit und Nässe schon entkräftet, schleppten Jason und ich unsere müden Knochen um 2:15 Uhr noch einmal Richtung Black Stage, um dem Abend mit Samael einen krönenden Abschluß zu verpassen. Die Schweizer um Mastermind Xy zählen mit ihren Frühwerken "Worship him" und "Blood ritual" aus den Jahren `91 und `92 zu den Wegbereitern des Black Metal und haben mit "Ceremony of opposites" und "Passage" wahre Meilensteine des Genres abgeliefert. Leider haben die Musiker nach letzt genanntem Output einen Weg hin zu industriellen Gefilden eingeschlagen, auf denen ich ihnen persönlich nicht folgen konnte. Da nun an diesem Abend hauptsächlich Songs der letzten drei Alben vorgetragen wurden, verlief der Gig für mich eher enttäuschend. Davon abgesehen war die Stimmung im gesamten Publikum eher bescheiden... und dieser lächerliche Hampelmann von Gitarrist hat das Kraut dann gar fett gemacht! 
Zeltzeit! An diesem Tag war ich zu nichts mehr zu gebrauchen. Aber warte W:O:A, bald hast du mich wieder... und morgen ist schließlich auch noch ein Tag. 

Samstag

Für alle, die sich um 12:00 Uhr noch nicht so richtig auf der Höhe befanden, war eine Band wie Zyklon genau das richtige, um die letzten Reste Schlaf und Rausch endgültig abzuschütteln. Dank der Musiker Trym und Samoth lebt in dieser Formation die Kultband Emperor ein Stück weit fort. Black und Death Metal vereinen sich hier in einer unheilschwangeren Allianz der Extraklasse. Schade nur daß die Musiker bei einem Aktionsradius von gerade mal 1 m2 pro Mann auf der riesigen Black Stage etwas verloren wirkten und eine Bühnenshow nicht mal ansatzweise vorhanden war.

Am Nachmittag bot sich schließlich die Gelegenheit, mit Overkill wieder ein paar echte Veteranen der Metalgeschichte zu bewundern. 20 Musikerjahre haben die Herren schon auf dem Buckel und rocken immer noch was das Zeug hält. Ihren Ruf einer erstklassischen Liveband konnten Overkill an diesem Tag nur untermauern und Hits wie "in union WE stand" bringen auch heute noch die Massen zum Toben!

Weiter ging´s an diesem Nachmittag mit Kultbands! Und hier kam eine der ganz besonderen Marke: Dissection zählten einst zu wichtigsten Größen der schwedischen Death-/Blackszene bis Bandkopf Jon Nödtveit wegen der Beteiligung an einem Mord im Frühjahr `98 zu acht Jahren hinter landestypischen Gardinen verurteilt wurde und somit Dissection auf Eis gelegt war. Heute geht der angeblich geläuterte Nödtveidt wieder brav seiner Musikerkarriere nach. Doch vor der Show konnten aufmerksame Beobachter Zeuge eines Rituals auf der Bühne werden, das mich doch sehr an der Resozialisierung dieses Herren zweifeln läßt. Was willst Du mit dem Dolche, sprich! Na irgendwelche Linien zeichnen und ein paar mal die Luft zerschneiden... Kurz darauf brach dann auch ein musikalischer Gewittersturm über die Fans herein. Die Hits von "The somberlain" und "Storm of the light´e bane" lassen kein Auge trocken!

Bösartig ging´s auf der Blackstage auch weiterhin zu, als um 19:00 Uhr Marduk die Bühne betraten. Die ersten Noten waren noch nicht erklungen, da schlich der neue Shouter Mortuus schon unruhig wie ein Panter hinter Gittern auf der Bühne auf und ab. Dann setzten die fünf Jungs im Panda-Look jenes Unwetter fort, das ihre Landsleute Dissection schon einmal heraufbeschworen hatten. Stimmlich steht Mortuus seinem Vorgänger Legion in nichts nach, kann ihm aber in Sachen Posing und Bühnenshow lange nicht das Wasser reichen. Als ob in Anbetracht soviel unverblümter Blasphemie dort oben jemand weinen müßte, setzte pünktlich zu "Slay the Nazarene" ein ordentlicher Platzregen ein, doch der unterstrich nur die eisige Atmosphäre, die Marduk zu erschaffen wußten   

Zeitgleich war die Stimmung vor der Partystage am brodeln, als Finntroll mit ihrem urigen Humppa-Sound die Massen zum toben brachten. Wer bei "Jaktens tid" oder "Trollhammaren" nicht automatisch von rhythmischen Zuckungen befallen wird, kann sich im Grunde gleich selbst in das nächst beste Dixi stürzen. Auch wenn von den Gründungsmitgliedern der Band durch Tot oder Krankheit kaum mehr was übrig geblieben ist, weiß der Rest der Truppe sehr wohl, das Erfolgsrezept von "Mitnattens widunder" fortzusetzen. Und die Fans lieben sie dafür.

Eigentlich wollte ich ja auch noch einen Blick auf die oberbayerischen Black Metal-Newcomer Equilibrium werfen, doch war ich vom Auftritt der deutschen Kult-Thrasher Kreator so gefesselt, daß ich dieses Vorhaben glatt vergessen hab. Die Jungs aus dem Ruhrpott zählen neben Sodom und Destruction zu Deutschlands dienstältesten Vertretern ihres Genres und sind Garant für Liveperformance aller erster Güte. Zu hören gab´s einen ausgeglichenen Querschnitt durch die lange Reihe ihrer Veröffentlichungen - vom aktuellen "Enemy of god" bis zurück zum `85 Debut "Endless Pain", das mit "Tormentor" und "Flag of Hate" vertreten war. 

Anschließend, um 22:30 Uhr, wurden auf der True Metal Stage die Gewinner des diesjährigen Metal Battle verkündet. Aus deutschen Landen machten, wenn ich nicht irre, Gorilla Monsoon das Rennen, während auf internationaler Ebene die Brasilianer Tuatha De Danann die heiß begehrte Trophäe abräumten und vielleicht bald schon auf einen Plattenvertrag hoffen dürfen. Während der anschließenden Award-Ceremony wurden neben einem Fan und einem Crewmitglied auch Produzent und Accept-/Victory-Gitarrist Herman Frank als Musiker ausgezeichnet. Jene Band, der ein Preis für ihr Lebenswerk überreicht werden sollte, war zu diesem Zeitpunkt um´s Verrecken nicht auf die Bühne zu bringen. Schließlich mußten sie sich auf den nun folgenden Auftritt vorbereiten...  

Die Rede ist natürlich von Accept, der vielleicht wichtigsten deutschen Heavy Metal Band aller Zeiten. Meine Verwunderung über Shouter Udo Dirkschneider, der sich mit den Jahren äußerlich immer mehr einem Panzer angenähert hat, wich schnell meiner Begeisterung über einen phantastischen Auftritt. Im beinahe Original-LineUp riefen die alten Herren Erinnerung an meine eigenen Metalroots wach. Solodarbietungen der einzelnen Musiker vermittelten zwischen den Songs. "Fast as a shark", "Predator", "Metal Heart", "Breaker", "Restless and wild", "I´m a rebel" und und und - kein Hit wurde ausgelassen! während"Princess of the dawn" und dem finalen "Balls to the wall" waren die Fans gefragt. Minutenlang stimmte Udo die Choräle in den Massen an, ehe er sich mit dem Lärmpegel zufrieden gab. Dazu eine grandiose Pyroshow mit Feuerwerken auf und über der Bühne - nach knapp zwei Stunden endete das wahre Highlight dieses Festivals. Und kaum waren die letzten Flammen auf der Bühne erloschen, fegte ein heftiger Platzregen den Raum vor der True Metal Stage leer.

Doch das Festival war keineswegs zu Ende! während auf der Party Stage die Nordlichter Torfrock noch einmal richtig für Gaudi sorgten, gab es auf der Black Stage Grund zur Trauer: die finnischen Düster-Rocker Sentenced bestritten hier ihr Abschiedskonzert. Zumindest in Deutschland sollte dies vorerst der letzte Auftritt sein. Zum Glück hielt der Regen nicht all zu lang´, so daß es doch noch ein beschaulicher Abschied werden konnte. Ich bin mal gespannt, wann man in Wacken mit einer Re-Union rechnen darf :-)

Ehe Tom Angelripper als Stammgast des W:O:A zusammen mit der Firefigher-Band mal wieder die letzten Kerzen ausblasen sollte, betrat um 1:45 Uhr ein weiterer Surprise-Act die True Metal Stage. Deutschlands wohl Dienstältesten Helden des Big Beat, die Beatles des Ostens gaben sich völlig unangekündigt einen Gastauftritt: die Rede ist von den Sputniks, die unserer Elterngeneration wohl eher noch ein Begriff sein dürften als uns selbst. Zur Verwunderung aller hatten sich die alten Herren bestens auf das W:O:A vorbereitet. Ohne Lyriks boten sie ein Medley aus allen möglichen Klassikern der Metalgeschichte: von Rose  Tattoos "Rock `n´Roll Outlaw" über Kiss´ "I was made for loving you", dem eben noch vom Original gehörten "Metal Heart" und Megadeths "Symphony of destruction" bis hin zu Limp Bizkits "Take a look around". Anschließend rumpelte auch noch Onkel Tom auf die Bühne, um zusammen mit den Sputniks eine Coverversion von Motörheads "Ace of Spades"-Klassiker zum Besten zu geben. 

Ich saß bereits unter meinem Pavillon auf dem Zeltplatz, als der Wind die Noten von Onkel Toms nun folgenden Saufliedern zu uns herüberwehte. Trotz klammer Klamotten und ekelhafter Kälte stand fest, das W:O:A war auch diese Jahr wieder eine runde Sache!

Ein besonderer Gast

An dieser Stelle sei noch erwähnt, daß das W:O:A dieses Jahr einen ganz besonderen Besucher in seinen Reihen begrüßen durfte. Ausgerüstet mit Gummistiefeln stapfte Schleswig-Holsteins frisch gebackener Ministerpräsident Peter Harry Carstensen durch den tiefen Schlamm des Festivalgeländes. Nicht nur den im Einsatz befindlichen Polizisten und Sanitätern stattete er seine Visite ab, sondern widmete seine Aufmerksamkeit auch den Fans. Nach anfänglicher Skepsis seiner persönlichen Leibgarde konnten diese dann doch noch einige Fotos mit dem Ministerpräsidenten schießen und ein Kurzaufenthalt im Biergarten durfte natürlich auch nicht fehlen. Das nenn´ ich volksnah - ob unser Stoiber für so was auch zu haben wär...?

The Show Must Go On!  

Leider gibt es in diesem Jahr auch eine traurige Nachricht zu vermelden. Nach Informationen der Polizei kam es Freitag Nacht zu einem tödlichen Verkehrsunfall in den Straßen von Wacken. Anscheinend stolperte ein alkoholisierter Festivalbesucher auf die Straße und stürzte mit dem Kopf so unglücklich gegen einen im Schritt-Tempo vorbeifahrenden Rettungswagen, daß er seinen Verletzungen erlag. Kreator widmeten dem unbekannten Opfer noch während des Festivals einen ihrer Songs. So tragisch dieser Unfall auch sein mag, sollte er dennoch keinen Schatten auf die Veranstaltung werfen, noch dazu da er sich nicht einmal auf dem Festivalgelände zugetragen hat. Die Show muß weiter geh´n. Ich freue mich schon auf nächstes Jahr und verdränge die scheinbar endlos dauernde Heimfahrt. Metal rulez!

 

Dagger

 

 


True Metal Stage (© by metaltix)


Tristanias Aushängeschild Vibeke
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Klapsenkandidat Dero spielt sein irres Spiel  (© by metaltix)


Ganz in ihrem Element: Tarja
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Kristofer Olivius ist einfach zu böse für diese Welt!  (© subKULTur)


Sehr sympathisch: Sonata Arctica 
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Die finnischen Cowboys von Ensiferum...  (© subKULTur)


... bringen die Massen zum Toben  
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After the Bloodbath: Mikael Åkerfeldt  
(© subKULTur)


Warum Mann sich Within Temptation unbedingt ansehen sollte

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Mit Volldampf voraus: Machine Head  
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Samoth präsentiert härteste Tonkunst mit stoischer Ruhe 
(© subKULTur)


Alt und kultig: Overkill
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Jon Nödtveit nach 8 Jahren zurück auf der Bühne (© subKULTur)


Blasphemy at its best! Marduk 
(© subKULTur)


fett + urig = finntrollig
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"Das geht noch lauter!" - Udo heizt die Massen an (© by metaltix)


Peter Harry Carstensen zeigt sich volksnah und stößt auch mit den Fans an
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