PHILLIP BOA - Rebirth of Voodooclub II

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Interview 2/00
Thomas Manegold

VOODOOCLUB- Konzerte sind immer noch ein sehr unterhaltsames und musikalisch hochwertiges Ritual, denn der Meister wurde auch im Hirsch in Nürnberg wie in früheren Tagen so richtig abgefeiert. Die neue Mannschaft spielte souverän und Sängerin Alison Galea von der Vorgruppe Beangrovers ist auch live weit mehr als nur ein Ersatz für Pia Lund. Wir hatten uns zuvor um einen Interviewtermin gekümmert und konnten so vor Ort PHILLIP BOA noch ein paar Löcher in den Bauch fragen.

tranceform: Woher nimmt PHILLIP BOA seine Inspirationen?

Phillip:
Aus dem täglichen Leben. Ich versuche, viel zu reisen, nicht in typische Urlaubsgegenden, sondern dorthin, wo das reale Leben existiert. Ich gehe viel ins Kino und höre mir vielfältige Musik an, nicht nur Popmusik. Ich lese viele Bücher und beobachte die Menschen. Aus meinen Stimmungen und Erfahrungen werden Dinge teils bewußt, teils unbewußt abgerufen. Ich versuche, daraus Texte zu schreiben, die möglichst kein Klischee bedienen.

tranceform:
Gibt‘s da ein Buch oder einen Film, so als Empfehlung?

Phillip:
Ich habe ein Lieblingsbuch. von Antony Burgess "Fürst der Phantome". Das ist so ein bißchen meine Bibel. Erst gestern habe ich einen Film von Woody Allen über einen Jazzmusiker gesehen. Das war ein sehr guter Film.

tranceform: Gibt es etwas, was Du musikalisch unbedingt noch machen willst?

Phillip: Filmmusik. Ich möchte ein paar Lieder schreiben für einen Film der mir gefällt. Fast wäre so etwas zustande gekommen. Der Film heißt "Fandango" und wird demnächst veröffentlicht. Aber ich habe in letzter Minute abgesagt, weil ich mich von der Filmindustrie ausgebeutet sah - sehr zum Mißfallen meiner Plattenfirma.

tranceform: Hat RCA die Remixes auf deiner aktuellen CD vorgeschrieben oder hast du dir solche Soundtüftler wie VNV NATION, die ja aus der Electroszene stammen, selbst ausgesucht?

Phillip: Die wurden vom Musikverlag vorgeschlagen. ich persönlich finde ihren Remix von "So What" zu kommerziell. Die Leute, die dazu tanzen, mögen das anders sehen.

tranceform: Fast schon eine Tradition waren bei früheren Boa Konzerten diese "Arschloch" Zwischenrufe. Machen das die Leute immer noch???

Phillip: Klar, und ich sehe das auch nicht so eng. Es gibt in jeder Stadt Leute, die beschimpfen mich und stören die ersten Lieder. Irgendwann werde ich böse und beleidige sie. Dann sind sie meistens auch zufrieden und ruhig. Das ist schon fast ein Ritual. Dafür ist ein Konzert auch da. Hier können sich die alltäglichen Frustrationen, die jeder Mensch hat, in positive Energie verwandeln.

tranceform: Deine Kariere begann 1984. In Laufe der Jahre hast du viele musikalische Strömungen erlebt und überlebt. Hast du eine Zukunftsvison, was die musikalische Entwicklung betrifft?

Phillip: Es wird langsam Zeit, das etwas Neues erfunden wird, weil sich alle wiederholen. Alles wird recycelt. Deshalb habe ich auch wieder damit begonnen, traditionelle Songwritermusik zu machen. Mich fasziniert nichts mehr, weil alles nur noch ausgewertet wird OK, manchmal gibt’s dabei auch recht gute Ergebnisse, doch die wirklich neue Musik entsteht nur in der Avantgarde, wobei ich nicht sagen will, daß ich avantgardistische Musik mache. tranceform: Ist PHILLIP BOA noch das Gewissen der Independent Szene. Gibt es diese Überhaupt?
Phillip: Zwei gute Fragen. ich denke, es gibt keine Independent Szene - leider. Ich hoffe, das sich das irgendwann mal ändert, zum Beispiel mit dem Internet. Meine Einstellung ist da noch genau wie früher: Independent heißt, ich lasse mich nicht bestechen, nehme kein Sponsoring an, gebe meine Musik nicht für Werbung oder Filme her, die mir nicht gefallen...

tranceform: ... so wie deinen Bowie Coversong "Starman"...

Phillip: Ein wunder Punkt. Das hat mir mein damaliger A & R Mann eingebrockt. Den Film dazu habe ich nie gesehen. Diese Coverversion ist zum Teil sehr heftig kritisiert worden und ich habe da so etwas wie einen Komplex entwickelt. Mittlerweile finde ich meine Version nicht mehr gut genug. An so ein Original sollte man sich nicht heranwagen, denn es ist einfach nicht zu toppen.

tranceform: Jetzt wird er auch noch bescheiden :-) .... vorübergehend, denn PHILLIP BOA sagte gegen Ende des Konzertes: "Ich höre auf, wenn ich das für richtig halte, wenn ich glaube, daß es jemand besser machen kann. Das wird wohl noch eine Weile dauern. Und wenn jemand das anders sieht: "So what!" Recht hat er. Wir bedanken uns für das Interview.

Thomas Manegold & Volker Sievers

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Das Buch bei Bol.de
Die "BoaBibel" vom Clockwork Orange Autor Antony Burgess

 

MP3 - INTERVIEW- AUSSCHNITT

"Ja, damals gab es noch diese "Arschloch"- Rufe...." (MP3 113s/ 680k)

 

MP3 - INTERVIEW- AUSSCHNITT
<"Thema: Zukunftsvision.... hast Du eine im bezug auf die Musikszene in Deutschland?" (MP3 44s/ 356k)

Photocredits: leider unbekannt, Promo- Photos von RCA und Public Propaganda. Auch dorthin dank für schnelle und reichhaltige Versorgung.

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