Ein Interview mit HC ROTH

HC Roth ist Anarcholiedermacher, Underground-Literat, Ox-Fanzine-Schreiber, Radiomoderator – und mit seinem dritten Buch „Der Flug des Pinguins“ Autor bei Subkultur. Passender hätten wir wohl nicht starten können, denn der skurrile Roman verbindet die Schriftstellerei mit lauter Musik, handelt von den Wirren der Liebe, vom Chaos des Scheiterns – und er erzählt vom Berühmtwerdenwollen.

Subkultur: Die Hauptperson in deinem neuen Roman „Der Flug des Pinguins“ ist der gescheiterte, lebensuntüchtige Schriftsteller Rilke, der von Verlagsabsagen gepeinigt wird, die Welt nicht versteht, von der Welt nicht verstanden wird und der dementsprechend sozial verwahrlost. Eine unfeine Frage zu Beginn: Wieviel HC Roth steckt in Rilke?

HC Roth: Wäre die Frage umgekehrt formuliert, würde ich sagen: Ein bisschen Rilke steckt doch in allen von uns … Es ist aber tatsächlich so, dass dieses Buch keinesfalls als autobiographisch anzusehen ist und Roth und Rilke alles andere als dieselbe Person sind, Rilke aber von allen Figuren, die ich je geschaffen habe, durchaus die ist, in der am meisten von mir wiederzufinden ist. Die hygienischen Zustände seiner Junggesellenbude beispielsweise sind mit denen meiner Männer-WG von vor zehn Jahren zu vergleichen, wenn nicht gar daran angelehnt (Backpapier auf den Küchenboden um nicht aufkehren zu müssen? Wir haben’s getan …). Wir beide schreiben gerne seltsame Bücher, sind Chaoten, haben Visionen, die vielleicht etwas zu hoch angesetzt sind. Ich bin mittlerweile allerdings etwas realistischer geworden, was meine Ziele betrifft und habe im Gegensatz zu Rilke mein Leben soweit im Griff.

Subkultur: Die zweite und wahrscheinlich sympathischere Hauptperson ist Billy. Denn die Geschichte in der Geschichte ist eine Hommage an den Rock’n’Roll am Beispiel eines draufgängerischen, jungen Rebells, der auszieht, um Rockstar zu werden. Wieso ist der aber ausgerechnet ein Pinguin?

HC Roth: Gute Frage! Ich kann sie nicht beantworten. Vor einigen Jahren hatte ich beruflich in den Bergen zu tun. Und dort wo keine Straßenbahnen fahren und die einzige Ablenkung das Muhen der Kühe und der Hahn um 5:00 morgens sind, kann man nun mal die Gedanken ganz gut schweifen lassen. Und so ist es auch passiert, dass mir irgendwo zwischen Baumgrenze und Viehweide eingefallen ist, dass ich unbedingt ein Buch über einen Typen schreiben muss, der ein Buch über einen Pinguin, der Rockstar werden will, geschrieben hat. Fand ich gut und hab mein Unterbewusstsein auch gar nicht mehr befragt, warum’s denn nun ein Pinguin sein muss.

Subkultur: Der Roman eröffnet mit einer Standard-Absage eines Verlags, der Rilkes Roman nicht herausbringen möchte. Wenn du selbst Lektor wärst, wie würdest du einem Autor absagen?

HC Roth: „Liebe/r Soundso, Dein Buch ist kacke“… würde ich natürlich nicht schreiben, weil ich weiß, wie viel Arbeit es ist, so ein Buch zu schreiben, und da sollte man doch durchaus wertschätzend bleiben, denke ich. Aber sagen wir es so: Ich habe einmal eine Mail von einem kleinen, aber doch bekannten Verlag bekommen, in dem der Verleger mir sehr detailliert geschildert hat, was ihm nun an meinem Buch gefallen hat und was nicht. Was er anders machen würde, wo ich damit Chancen haben könnte und wieso er es nicht veröffentlichen kann, will und wird. Geendet hat er mit dem Satz: „Und sollte ich mich irren und Ihr Buch wird zum Bestseller, so bitte ich Sie an mich zu denken, wenn sie dann in Ihrem Schloss sitzen und sich im Geld wälzen.“ Hat mir gut gefallen, so oder so ähnlich würde ich es wohl auch machen. Dem Autor zeigen, dass man sich mit seinem Werk befasst hat und sich die Zeit nehmen, ihm auch zu erklären, warum man ihn nicht will beziehungsweise sein Buch nicht veröffentlichen will.

Billy Pinguin by AKU!

Billy Pinguin by AKU!

Subkultur: Beim Lesen fällt sofort der sehr eigenwillige Erzählstil auf, der auch deine bisherigen Veröffentlichungen charakterisiert. Wie würdest du ihn selbst beschreiben?

HC Roth: Eigenwillig, schräg bis irr, ein bisschen krank …

Subkultur: Was macht für dich Humor aus?

HC Roth: Humor ist, wenn das Lachen im Halse stecken bleibt … und natürlich höchst subjektiv zu betrachten. Ich kann einem gepflegten Brachialschenkelklopfer beispielsweise durchaus etwas abgewinnen, finde es aber zum Beispiel bei Poetry Slams doch um einiges schöner, wenn sich nicht gleich der ganze Saal brüllend am Boden wälzt, sondern schön langsam da ein Lacher kommt und dort ein Kichern, und da drüben dann plötzlich der Aha-Moment aus den Augen der Gäste abzulesen ist. Aber ich habe ihn auch ganz gerne schwarz, meinen Humor, da halt ich es wie mit dem Kaffee.

Subkultur: Wie konzipierst du einen Roman (gibt es zuerst ein Storyboard, oder schreibst du einfach drauf los, strukturiert oder chaotisch, bei Wein, Bier, nur nach dem Frühstück …)?

HC Roth: Beim Bier kommen manchmal die Geistesblitze, wenn sie dann nach dem Frühstück immer noch da sind, umso schöner. Also mit Storyboard habe ich noch nie gearbeitet, ich bin da dann doch eher der Nur-Drauf-Los-Typ. Ich habe die Idee im Kopf, weiß ungefähr, wohin die Reise gehen soll und fang dann einfach mal an. Der Rest entwickelt sich, die Struktur kommt dann ganz von selbst rein. Beim „Metal-Märchen“ war es beispielsweise so, dass mir eine richtunggebende Nuance sowieso erst in der Nachbearbeitungsphase eingefallen ist.

Subkultur: Musik machen, Bücher und Kolumnen schreiben, Bloggen, Poetry Slams. Du bist in vielen Bereichen aktiv. Siehst du selbst einen Schwerpunkt?

HC Roth: Meine wöchentliche Radiosendung nicht zu vergessen! Und Job und Familie gibt’s ja auch noch. Ja, ich bin ganz gut beschäftigt und selten gelangweilt. Die Musik habe ich momentan etwas auf Eis gelegt, einerseits hab ich schon länger keine Songs mehr geschrieben — kreative Schaffenskrise quasi — und denke auch, dass vorerst alles gesagt und gesungen ist (was nicht heißt, dass die Gitarre für alle Zeit im Schrank bleiben wird). Andererseits möchte ich den Fokus im Moment auf die Literatur legen, also auf das Verfassen und Vortragen von Literatur, und das durchaus ernsthaft. Es läuft auch ganz gut zurzeit. So kommen immer wieder interessante Anfragen für Lesungen, Slams, Touren rein, ich bin gerade dabei die erste Grazer Lesebühne „Gewalt ist keine Lesung“ in der hiesigen Szene mitzuetablieren, und ein neues Buch gilt es ja auch zu promoten. Kaufen Sie sich das, liebe Leser und Leserinnen!

Subkultur: Welche Bücher liest du gerne, hast du literarische Vorbilder bzw. Inspirationsquellen?

HC Roth: Derzeit lese ich gerne amerikanischen Kram: T.C. Boyle ist immer gut (ich habe ihn lange verschmäht, aber der letzte Roman hat mich dann doch noch auf seine Spur gebracht), Bukowski natürlich (hauptsächlich die Romane, weniger Short-Stories, Gedichte gar nicht), William S. Borroughs. Den Japaner Haruki Murakami mag ich gerne, weil der den Grat zwischen surreal und real so wunderbar schmal halten kann. Der Schotte John Niven ist der Hammer, so wunderbar schonungslos, und dann natürlich die ganzen deutschen Kollegen: Allen voran Jan Off, Dirk Bernemann, mit dem ich schon drei Mal lesen durfte und in näherer Zukunft auch noch öfter darf. Ohnehin hatte ich in den letzten Jahren das Glück, viele großartige schreibende Menschen kennen zu lernen, sie zu booken, mit ihnen aufzutreten, auf Lesereise zu gehen. Gruß an dieser Stelle an Alex Gräbeldinger und Christoph Parkinson vom Ox-Fanzine und natürlich all meine wunderbaren Ex-Kollegen und Kolleginnen von der leider dahingeschiedenen Edition paperONE.

Der Flug des Pinguins

„Der Flug des Pinguins“

Subkultur: Wie sehen deine weiteren Pläne aus? Kann man von dir einen neuen Roman erwarten?

HC Roth: Von mir kann man so einiges erwarten, haha. Konkret habe ich zwei fertige Romane zuhause liegen. Einerseits „Edgar“, ein Buch, das die Geschichte eines wahrnehmungs- und sexualgestörten dreißigjährigen Metalfans, aufbauend auf seine verkackte Kindheit erzählt. Andererseits der Episodenroman „Der Tag als Berta Bluhmfeld geboren wurde“, die quasi Fortsetzung meines Erstlingswerkes „Der Tag als Berta Bluhmfeld starb“. Ein weiterer Roman ist in der (inhaltlichen) Fertigwerdungsphase, muss aber gerade ruhen, weil ich momentan einfach an zu vielen anderen Dingen rumzuschrauben habe: hier Kolumnendeadline, da Lesebühne, dort Themen-Slam. Ach ja, zwei fertige Kinderbücher, beide auch von mir illustriert, habe ich ja auch noch. Allerdings habe ich es aufgegeben, einen Verlag dafür zu suchen, da der Kram für Kinder wohl doch etwas zu kompliziert und verdreht geschrieben ist. Ansonsten: Lesen, lesen, lesen (auf der Bühne sowie auf der Couch). Und meinen neuen Verlag kennen und lieben lernen natürlich!

Danke für das Interview.

Wer HC Roth live sehen will, kann dies am 23.03. im Explosiv in Graz tun. Da präsentiert HC zusammen mit Dirk Bernemann erstmals sein Werk „Der Flug des Pinguins“. Die Deutschland-Premiere findet am 28.04. bei der Lesebühne OWUL in der Berliner TheArter-Galerie statt.