von Falk Fatal.

Als ich jünger war, galten Thomas Gottschalk und Mike Krüger als die jungen Wilden des deutschen Fernsehens. Einen kleinen Teil trugen dazu ihre gemeinsamen Filme bei. Herrlich dumme Streifen mit platten Sprüchen und flachen Gags, die man heutzutage nur unter Zuhilfenahme von Betäubungsmitteln halbwegs ertragen kann, als Kind aber für das Nonplusultra der Fernsehunterhaltung hielt – was einiges über die Qualität jener “Fernsehunterhaltung” der frühen 1980er-Jahre aussagt. Wir hatten halt nichts anderes.
Einen Film der beiden „Supernasen“ mochte ich besonders: die Einsteiger. Mike erfindet eine Fernbedienung, mit der die beiden in den Film einsteigen und Teil der Handlung werden. Ich fand die Idee, in jeden beliebigen Film einsteigen zu können und mitspielen zu dürfen, immer faszinierend und wünschte mir insgeheim, das jemand solch eine Fernbedienung doch bitte in echt erfinden möge. Endlich wie Luke Skywalker mit dem X-Wing in das Innere des Todesstern vorstoßen. Anschließend den Mittelpunkt der Erde erkunden, um dann mit Michael J. Fox in Hill Valley eine Runde Hoverboard zu fahren (oder besser: zu schweben?). Ich fand diese Vorstellung immer verlockend.

Ich glaube, mein Wunsch hat sich erfüllt. Irgendjemand hat diese Fernbedienung erfunden und uns heimlich in einen Katastrophenfilm einsteigen lassen. Vielleicht mit Roland Emmerich als Regisseur. Der Film könnte 2022 heißen. Die Handlung ist verworren, hat viele Stränge und es ist nicht klar, ob es dem Regisseur bis zum Filmende gelingen wird, diese zusammenzuführen, geschweige denn, ob es ein Happy End geben wird. 

Der Film beginnt zum Jahrtausendwechsel. Y2K hat sich nicht bestätigt, die Welt ist nicht untergegangen. Mit schnellen Schnitten transportiert uns der Film ins Jahr 2019, vorbei an 9/11, dem Krieg in Afghanistan, den Terroranschlägen in Madrid, London und Mumbai, dem Krieg im Irak, dem arabischen Frühling, dem Bürgerkrieg in Syrien, der Annexion der Krim, dem saudischen Angriff auf Jemen. Die Kriegs-, Terror- und Fluchtbilder werden immer mal wieder von Naturkatastrophen-Sequenzen wie dem Tsunami in Thailand, den Wald-, Busch- und Moorbränden in Kalifornien, Brasilien, Australien und Sibirien unterbrochen. Der Börsensturz und die Weltfinanzkrise dürfen natürlich auch nicht fehlen, während Twitter und Facebook immer dominanter werden und den Wahnsinn weiter anheizen. Und irgendwann sind wir im Winter 2019. Die eigentliche Handlung beginnt.

Aus China werden Nachrichten über ein neues SARS-Virus bekannt, das lebensgefährlich sein kann, sich in rasender Geschwindigkeit über den Globus ausbreitet und drei Monate später die Welt in den Lockdown geschickt hat. An diesem Punkt taucht der Good Guy zum ersten Mal auf. Ein adretter und sportlicher Virologe, der aus seinem Labor tritt, um die Welt vor dem Killervirus zu retten. Anfangs wird er belächelt, nicht ernst genommen. Dunkle Gestalten, sogenannte Wodargs, versuchen den Helden zu diffamieren, seine wissenschaftlichen Erkenntnisse zu negieren und ihm Profitsucht vorzuwerfen. Unterstützung erhalten die Wodargs von etlichen sinistren Figuren wie Bhaktis, Naidoos und neoliberalen Hasspredigern. Doch unser Held kämpft nicht allein. Die graue Eminenz der Virologie ist auf seiner Seite. Ein kleiner, knorriger Fauci aus den USA, den man der Story willen, mit Rückblenden, zu einem Mentor des sportlichen und junggebliebenen Virologen machen könnte, zu einem Yoda der Virologie, der den Helden mit den Geheimnissen dieser Wissenschaft bekannt macht und ihn immer wieder dieselbe Genomsequenz analysieren lässt, bis dieser endlich die ultimative Erkenntnis erwirbt, um im finalen Kampf bestehen zu können. Denn noch ist unklar, ob der Fauci dem Helden im Kampf wird beistehen können, denn er wird seinerseits von dunklen Kräften bedroht. Von einem orange-gesichtigen Nero, der vorgibt, in dunklen Katakomben gegen sogenannte Clintons zu kämpfen, die sich angeblich vom Adrenochrom kleiner Kinder ernähren. Dabei spielt Nero den ganzen Tag nur Golf oder versucht, seine Steuererklärung zu frisieren. Doch Fauci hat keine Chance. Nero verbannt ihn. Nero wähnt sich am Ziel. Doch dann töten seine Killertruppen einen schwarzen Mann auf offener Straße und die Unterdrückten schlagen zurück. Die Gewalt eskaliert. Wochenlang liefern sie sich Straßenschlachten mit Neros Schergen. 

Auf der anderen Seite des Ozeans ist Lage ebenfalls angespannt, wenn auch nicht so gewalttätig. Während der Held gemeinsam mit einer Armee von Wissenschaftlern gegen das Virus kämpft, rotten sich im Verborgenen die Hildmänner zusammen. Eine okkulte Sekte, die daran glaubt, dass der orange-gesichtige Nero der Erlöser ist, der die Welt vor dem Armageddon bewahren und das Merkel, ein außerirdisches Reptilienwesen, vernichten wird. Die Sekte wird schnell größer, sie fluten die Straßen Berlins und versuchen schließlich, den Reichstag zu stürmen.

Die Handlung der beiden Hauptstränge wird immer wieder durch Zwischensequenzen unterbrochen. Diese zeigen Ärzte und Pflegepersonal, die verzweifelt um das Leben ihrer Patienten kämpfen, von Sargbergen, die sich vor den Krematorien stapeln, und Szenen der normalen Bevölkerung, die von den immer weiter wuchernden Verordnungen erdrückt wird.

Dann die Erlösung. Ein Impfstoff wird gefunden. Das Happy End ist scheinbar nah. Doch das Drehbuch hat anderes im Sinn. Das Virus schlägt mit voller Härte zurück. Der Impfstoff wird nicht schnell genug verteilt. Die Zahl der Infizierten und der Toten steigt sprunghaft an. In den USA klammert sich Nero währenddessen verzweifelt an seine Macht. In einem finalen Akt der Raserei schickt er seine Sturmtruppen auf das Kapitol, um das System zu stürzen. Doch der Staatsstreich misslingt – vorerst. Onkel Joe zieht ins Weiße Haus und mit ihm die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Doch die Gegenwart bleibt trist. Das Virus ist nicht besiegt, es mutiert und setzt seinen Vernichtungsfeldzug fort. 

Eines muss man den Drehbuchautoren lassen: Sie machen es spannend. Ich weiß nicht einmal, an welchem Punkt im Film wir uns befinden. Sind wir noch am Anfang, in der Mitte oder kurz vor dem Ende? Und was für ein Ende wird das sein? Ein Happy End? Werden Neros böse Mächte die Oberhand behalten? Oder wird gar das Virus die Menschheit vernichten? Wie auch immer: Der Film verspricht gute Unterhaltung. Viel Drama, viel Leid, aber natürlich auch viele heroische Momente. Echtes Popcorn-Kino halt.

Doch ich habe jetzt genug mitgespielt. Ich habe keine Lust mehr auf Drama, Leid und Thrill, mich laugt das zunehmend aus, es raubt mir die Kraft und macht mich müde. Ich hätte jetzt Lust auf eine seichte Liebeskomödie, einen netten Chick Flick, der irgendwo in der Karibik spielt und in dem ich einfach den ganzen Tag am Strand liegen und Cocktails genießen kann. Ich würde gerne umsteigen. Blöd nur, dass ich die Fernbedienung nicht finde.