Anfang 1981, Eindhoven/NL, Effenaar. Eigentlich sollten an diesem Abend The Birthday Party spielen, Nick Caves alte Aussi-Band, ihre erste Europa-Tour, aber die fielen warum auch immer aus. Als Ersatz: The Sound aus London, die waren gerade in der Gegend. Ich wusste nur, dass das so in Richtung Echo & the Bunnymen gehen sollte, das taten damals viele. Der Eintritt war niedrig, also warum nicht? Vier eher unscheinbare Typen erklommen die Bühne und legten los und nach spätestens fünf Minuten brannte die Bude und der Himmel dazu. Was für eine phänomenale Truppe! Und mit der Meinung war ich nicht allein, wie der anschließende Sturm auf den Merchstand zeigte.
„I was going to drown,
then I started swimming.
I was going download,
then I started winning,
winning – winning“
– Adrian Borland / The Sound 1981.
Die Postpunk-Ära hat einige großartige und leider in Vergessenheit geratene Bands hervorgebracht, einige werden gerade wiederentdeckt, aber keine darf sich „die unbekannteste Legende“ nennen wie The Sound heute. Es gibt Fan-Organisationen, Symposien, die sich nur dieser Band widmen und bei denen dann auch die beiden überlebenden Original-Mitglieder zu Gast sind. Wer war diese so nachhaltig wirkende Band, die damals keiner kannte und die trotzdem jede Konzerthalle in einen Hexenkessel verwandeln konnte?
Ende der 70er aus der Punkband The Outsiders hervorgegangen, das erste Album „Jeopardy“ erschien 1980, prägte Sänger, Gitarrist und Songschreiber Adrian Borland die Band von Anfang bis Ende. Die Musik? Postpunk, New Wave, irgendwo zwischen Bunnymen, Joy Division und anderen genialen Paranoikern dieser Zeit. Was The Sound so besonders machte, waren die Livekonzerte, sie schafften es, ihre Songs dermaßen emotional, manchmal fast over the top, mit einer unglaublichen Wucht und dabei völlig unprätentiös auf die Bühne bringen wie sonst keiner. Das lag natürlich auch sehr an Adrian Borland, der kam zuerst rüber wie einer, der im Supermarkt die Regale einräumt, entpuppte sich dann aber als Vulkan, der Lava ohne Ende speien konnte. Und hinter ihm tobte ein Gewitter. Was in kleinen Läden natürlich sehr geil rüberkam, ließ dann aber ein paar Monate später auf dem riesigen Nieuwpop Festival in Rotterdam tausende Besucher den Mund offen stehen und staunen. Kurz danach erschien das zweite Album „From the lions mouth“, heute ein Klassiker, der viele damals angesagte andere Alben bekannterer Bands mühelos in die Ecke stellt. Sie tourten wie verrückt, zogen eine stetig wachsende Fanschar hinter sich her, aber die Presse ignorierte sie. Nach Deutschland kamen sie sehr selten und für UK waren sie wohl nicht hip genug, sie wurden irgendwie in Benelux, Frankreich und Spanien heimisch. Ich sah sie in den folgenden Jahren noch zwei Mal, jedes Mal ein Erlebnis.
„Die Vergangenheit und ihre Tragödien sind immer bei uns; aber wir können die Essenz der Kreativität, die so viele großartige Songs hervorgebracht hat, retten und in die Zukunft tragen, um sie nicht nur für Fans, die noch zuhören, am Leben zu erhalten, sondern auch für diejenigen, die sie noch nicht entdeckt haben.“ – The Sound-Drummer Mike Dudley, 2019.
Danach wurde es stiller um die Band, ich wusste gar nicht mehr, ob es die überhaupt noch gibt. Die alten Platten hörte ich immer noch gerne, bis ich sie im Sommer 1987 in Venlo/NL auf einem Gratis-Open-Air wiedersah. Kein toller Ort, aber das alte Feuer war sofort wieder da, sie waren um keinen Deut schlechter als fünf oder sechs Jahre vorher. Das Publikum war begeistert und auch den damals massiv in dieser Stadt anwesenden deutschen Drogen-Touris flog ihr neu erworbenes, mit Kuhscheiße gestrecktes Dope um die Ohren. Hammergig. Kurz danach haben sie sich aufgelöst, Adrian Borland machte noch einige, damals unbeachtete, aber heute hoch geschätzte Solo-Alben, aber insgesamt endete die Sache mehr als traurig. Keyboarder Colvin „Max“ Mayers starb 1993 an Aids und der schwer manisch-depressive Adrian Borland stürzte sich 1999 vor einen Zug.
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Hop On Hop Off9,99 € – 15,00 €