von Falk Fatal.
Die Freiheit ist ein armes Geschöpf. Viel zu oft wird sie missverstanden und benutzt, besonders in jüngster Zeit. Immer muss sie herhalten, als letztes Argument, als Little Boy und Fat Man, in jeder Diskussion, vor allem wenn es um Dinge geht, die dem Umweltschutz und dem Gemeinwohl nützen könnten. In solchen Diskussionen gilt die Faustregel: Je vehementer auf die Freiheit verwiesen wird, desto sinnentleerter waren die Argumente zuvor.
Glaubt ihr nicht? Ich sage nur Tempolimit auf Autobahnen. Dass es besser für Umwelt und Gesundheit ist, die Unfallgefahr sinkt und der Verkehr besser fließt, ist egal: Am Schluss berufen sich die Freunde des linken Blinkers immer auf die Freiheit. Exemplarisch für diese Freiheitskämpfer: Der ehemalige Mover and Shaker und oberste Knalldödel der Nation, der Poschardt Ulle. Für ihn ist die Autobahn das letzte “Freiheitsfeld”, wo die Deutschen mehr Freiheit genießen als andere Menschen auf der Welt. Sonst seien die Deutschen auf Freiheitstabellen nicht auf den vorderen Plätzen zu finden, sagt er dem Deutschlandfunk und jedem sonst, der ihm ein Mikro vor die Nase hält.
Das ist mal ein Argument! Da helfen keine Fakten, keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, ja nicht mal Staunen oder Kopfschütteln mehr, da hilft nur noch, dreimal den Kopf auf die Tischplatte zu donnern. Man möchte die intellektuelle Pein, die dieses Argument verursacht, mit reellem Schmerz übertünchen, nur – es hilft nichts. Diese Bankrotterklärung aus Ignoranz und Antriebslosigkeit verursacht einen tiefsitzenden Schmerz, der sich nicht übertreffen lässt.
Ein Mensch mit Ambitionen würde versuchen, auf den anderen Freiheitstabellen einen Spitzenplatz einzunehmen. Denn Ulle hat ja Recht. Deutschland ist da selten ganz vorne zu finden. In der Rangliste der Pressefreiheit zum Beispiel. Da ist Deutschland nicht einmal in den Top Ten. Zurzeit nimmt Deutschland den 13. Platz ein und rangiert damit hinter Ländern wie Costa Rica oder Jamaika. Im Freedom of the World Ranking belegt Deutschland Platz 21 knapp hinter Zypern, Andorra und Barbados. Und im World Happiness Report liegt Deutschland ebenfalls auf keinem Spitzenplatz. Zu mehr als dem 17. Platz reicht es auch hier nicht.
Auch um die allgemeine Handlungsfreiheit, das heißt, das Recht zur freien Persönlichkeitsentfaltung und damit verbunden das Recht auf körperliche Unversehrtheit, ist es für bestimmte Bevölkerungsgruppen schlecht bestellt. Menschen mit dunkler Hautfarbe, Bürgermeister*innen, die sich gegen die AfD stellen, Homosexuelle und Transexuelle, Schutzsuchende, linke Aktivist*innen, Frauen, die ihre Meinung äußern, Jüd*innen, überhaupt alle, die nicht der Norm gewisser brauner Hetzer*innen entsprechen, sind ganz konkret in ihrer Freiheit bedroht, sich dort aufzuhalten, wo sie wollen. In bestimmten Gegenden müssen sie damit rechnen, angegriffen, verletzt und gar getötet zu werden. Manchen passiert das sogar auf der eigenen Terrasse.
Es gäbe also einiges zu tun, für die selbsternannten Freiheitskämpfer. Doch das würde ja Anstrengung bedeuten. Und wer sich schon einmal in einem Recaro-Sportsitz eingemummelt hat, weiß, wie schwer man da wieder hochkommt. Also lässt man es lieber, düst weiterhin mit 210 über den Autobahnasphalt und freut sich wie die Menschen in Nordkorea, Haiti, Somalia, Libanon, Nepal, Myanmar, Burundi, Bhutan, Afghanistan oder Mauretanien in einem Land zu leben, in dem man die Freiheit hat, ohne Tempolimit über die Autobahn zu düsen. Und beweist nebenbei, dass diese Freiheit der Ambitionslosen nichts anderes ist als der Wunsch, weiterhin ein Arschloch bleiben zu dürfen. Oder wie Georg Kreisler es eleganter formulierte: “Ich werd’ dir sagen, was ich heutzutag’ als freiheitlich empfind: Die Dinge so zu lassen wie sie sind!”
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