Ein Interview mit Falk Fatal.
Im Winter 2019 ist in der Edition Subkultur „Im Sarg ist man wenigstens allein“ von Falk Fatal erschienen. Der Wiesbadener Autor und Musiker hat dafür seine besten Geschichten aus Schubladen, elektronischen Speichermedien und unterm Kopfkissen hervorgekramt. Mal schräg, mal gruselig, aber immer mit einer ordentlichen Portion schwarzem Humor und Schärfe nimmt Falk Fatal seine Umwelt auseinander, von Punks über Polizeischüler, Proleten bis Popstars.
Laura hat mit Falk über Vogelküken, Nonkonformität und „Fridays for Future“ geredet.
Wie bist Du zum Punk gekommen?
F.F.: Puh, die schwierigste Frage gleich zu Beginn, haha. Ich weiß gar nicht, ob ich wirklich bewusst zum Punk gekommen bin. Ich glaube der Punk war schon immer irgendwie in mir drin, lange bevor ich das erste Mal Punk überhaupt bewusst wahrgenommen habe. Irgendwann sind wir uns dann über den Weg gelaufen, fanden uns auf Anhieb sympathisch und beschlossen, den Rest des Weges gemeinsam zu gehen.
Ich habe schon als Kind gerne Grenzen ausgereizt und übertreten, konnte mich nicht anpassen und stand immer etwas abseits von den anderen. Das war vermutlich eine gute Grundlage.
Zur ersten zarten musikalischen Berührung mit Punk kam es dann Ende der 1980er mit den Ärzten, es war Liebe auf den ersten Ton und von da an ging es dann mit kleinen Schritten – im 2.500-Seelen Dorf war es schwierig mit Punk in Berührung zu kommen – weiter zu Sex Pistols und Slime und von dort zu den ersten Konzerten in Jugendzentren und selbstverwalteten Läden, zu den ersten Fanzines und der Erkenntnis, dass im Punk alles möglich ist, alle sich einbringen und ein aktiver Teil der Szene werden können. Ratzfatz war die erste Band am Start, wurden die ersten Konzerte organisiert und ein Plattenlabel gegründet sowie das erste Fanzine geschrieben. Spätestens ab da war ich dieser Szene hoffnungslos verfallen und werde es wohl ewig sein.
Haben alle Gesellschaften ein Problem mit Nonkonformität? Woran liegt das?
F.F.: Ja, ich glaube alle Gesellschaften haben – ganz wertfrei gesprochen – ein Problem mit Nonkonformität – selbst die aufgeklärteste, emanzipierteste und nonkonformste Gesellschaft. Das liegt daran, dass Gesellschaften sich Regeln und Normen geben, die im Großen und Ganzen von allen akzeptiert werden und die die Grundlage des Zusammenlebens bilden. Wird dagegen verstoßen, sorgt es im besten Fall für abschätziges Kopfschütteln und für Lästereien, dann für gesellschaftliche Ächtung und im drastischsten Fall für Gefängnis, Folter oder Todesstrafe. Gesellschaften unterscheiden sich im Umgang mit Nonkonformität meiner Meinung nach nur in den Fragen: Wie viel Nonkonformität sind sie bereit zu akzeptieren? Und wie reagieren sie darauf?
„No Future“ oder „Fridays for Future“?
F.F.: Ohne „Fridays for Future” wird es auf jeden Fall „No Future” geben. Aber da ich nicht glaube, dass die Regierungen dieser Welt auf die Forderungen von „Fridays for Future” und der seriösen Wissenschaft eingehen werden, wird es auf „No Future” herauslaufen. Also wähle ich A: „No Future”.
Wieso retten Leute eher Vogelküken anstatt anderen Menschen zu helfen?
F.F.: Auf diese Frage habe ich keine wirkliche Antwort. Vielleicht weil ein Vogelküken niedlicher ist als ein Mensch? Weil es keine Forderungen stellen kann und es weniger Aufwand kostet, um ein gutes Gefühl zu bekommen? Vermutlich auch, weil ein Vogelküken nicht bedrohlich wirkt, andere Menschen manchmal aber schon. Aber wenn so die Hilfsbereitschaft erhöht wird: Vielleicht sollten wir alle mehr wie Vogelküken werden.
Welche Art von Menschen sorgt dafür, dass Du nicht allein in einem Sarg liegen möchtest?
F.F.: So ein Sarg ist ja meistens relativ eng, deshalb möchte ich eigentlich nur mit meiner Freundin darin liegen. Aber allgemeiner gesprochen: Menschen, die keine Arschlöcher sind, andere mit Respekt und Würde behandeln, einen eigenen Kopf besitzen und wenigstens etwas Humor haben, hätten gute Chancen mit mir einen großen und breiten Sarg zu teilen.
Ein Protagonist Deiner Geschichten hält sich über Wasser, indem er erotische Naziliteratur schreibt und veröffentlicht. Hast Du Dir schon einmal ernsthaft überlegt, in dieses Geschäftsfeld einzusteigen?
F.F.: Haha, ehrlich gesagt: Bislang noch nicht. Aber auch wenn sich die Gesellschaft in eine Richtung bewegt, in der erotische Naziliteratur genügend Leser*innen finden würde, um sich damit über Wasser zu halten: Ich will nichts schreiben, das Nazis aufgeilt und habe das auch nicht vor. Den Nazi-Hardcoreporno „Der tausendjährige Höhepunkt” muss wohl jemand anderes schreiben, haha.
Welcher ist Dein liebster Ort, um mal allein zu sein, ohne sich gleich in einen Sarg legen zu müssen?
F.F.: Wenn ich mal wirklich keine Menschen um mich herum haben will, dann schnappe ich mir meine Hündin und stapfe mit ihr querfeldein durch den Wald. Da begegne ich niemandem und habe meine Ruhe. Dann genieße ich die Stille und die Einsamkeit und kann den Alltag wenigstens für ein paar Stunden hinter mir lassen. Das genieße ich sehr.
Sind weitere Bücher in Planung?
F.F.: Konkret noch nicht, aber ich habe einige Ideen im Kopf und „Im Sarg ist man wenigstens allein” wird definitiv nicht mein letztes Buch gewesen sein!
Danke für das Interview!
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