Eine Rezi aus der Abteilung „vergessene Genies“ von Joost Renders.
Stell dir vor: ein fettes Orchester mit Pauken, Trompeten, Geigen und allem, was da sonst noch dazugehört. Aber kein Easy Listening oder andere „beruhigende Klänge“. Eher stürmische Stimmung, meist treibender Rhythmus, ab und zu eine sehr trashige, stark verzerrte Gitarre und dazu singt Alf.
Genau, der Außerirdische aus Melmac oder besser gesagt seine deutsche Synchronstimme Tommi Piper. Er ist es natürlich nicht, aber diese Reibeisenstimme klingt nun mal so. Eine seltsame Mischung, nicht wahr? Hier handelt es sich ganz klar um die Platte eines Wahnsinnigen. Im positiven Sinne. Und es gibt von ihm außer einer vergriffenen 12-Inch-Single aus den Achtzigern wirklich nur diese eine Platte. „Waiting Rooms“ gehört zu den vergessenen Meisterwerken der britischen Popgeschichte.
Melodien, die schon verraten, dass hier Jacques Brel und Anthony Newley Pate gestanden haben. Wie bei Bowie übrigens. Aber das hier ist nicht Bowie, der ebenfalls leicht verschrobene Paradiesvogel hinter dieser Musikexplosion heißt Simon Warner und viel ist über ihn nicht zu erfahren. Er müsste jetzt in seinen Fuffzigern sein und sein Megaalbum „Waitings Rooms“ ist bei seinem Erscheinen 1997 ungerechterweise baden gegangen. Das ist bitter. Seitdem ist Simon Warner abgetaucht. 2014 hat er der Musikzeitung „Mojo“ ein Interview gegeben, wo er sagte, dass er gerne wieder was machen würde, aber …
Tja, warum wohl? Ob es an eigenen Problemen oder Hemmschwellen liegt oder ob er irgendwelchen wichtigen Leuten im Musicbiz auf die Füße getreten ist, wer weiß das schon. Seine Texte sind jedenfalls nicht so schweinisch, dass ihn deshalb der Bannstrahl getroffen haben könnte. Klar, er ist immer ein bisschen „over the top“, aber seien wir mal ehrlich, das muss großer Pop verdammt nochmal auch sein! Es sind eher die alltäglichen Dinge, die er 1997 mit Karacho besang. Allerdings sah er persönlich eher aus wie jemand, der davon abgehalten wurde, am „normalen Alltag“ teilzunehmen. Vielleicht ist „Waiting Rooms“ deshalb so großartig.
Sorry liebe Streber, ist nun mal so. Aus den Kindern, die jeder mochte und die immer mitspielen durften, werden später eher selten die interessanten Spezies. Wer „Eloise“ von Barry Ryan etwas abgewinnen kann, liegt bei Simon Warner richtig. Auf jeden Fall ist er etwas für Fans von The Divine Comedy, allerdings im Vergleich dazu die rohe und ungestüme Variante. „Waiting Rooms“ ist inzwischen, wie sollte es auch anders sein, schwer erhältlich, aber auf YouTube kann man es natürlich hören und als Download-MP3 ist es zu haben. Wer weiß, vielleicht erbarmt sich das ein oder andere Label da etwas zu machen, denn inzwischen sind einige Musikverrückte drauf gekommen, das da mal was war.