*Jorge Mario Kardinal Bergoglio SJ (aka der Papst)

von Laura Alt.

Mein letztes Semester an der Universität begann mit einer erschreckenden Erkenntnis: Die „Erstis“ sahen plötzlich anders aus. Anders als die Menschen, die die nicht-Regelstudienzeit-konforme Anzahl von Semestern zuvor die Hörsäle bevölkerten, in denen ich mich herumtrieb. Das ist per se kein Problem. Nicht alle Leute müssen für immer so aussehen, wie es die Menschen taten, als ich mein Abi hatte und mich so erwachsen fühlte, dass ich mich traute, eine Universität zu betreten. Ich weine T-Shirts mit Puff-Ärmeln und der zu diesem Zeitpunkt bei Männern hippen Hitler-Jugend-Frisur keine Träne nach.
Trends kommen und gehen ja. Alle paar Jahre oder Jahrzehnte überlegt sich irgendein ausgebeuteter, ausgebrannter und zugekokster Modedesigner, dass es mal wieder an der Zeit sei, Schlaghosen, bauchfreie Tops oder diese engen Halsketten aus Plastik auf den Markt zu werfen. Ob es irgendwo große Lagerhallen mit dem nicht-verkauften heißen Scheiß der 70er, 80er, 90er, 2000er und den besten Hits von heute gibt? Solche, die mit einem großen Vorhänge-Schloss versiegelt sind und nur auf diesen Moment warten, um geöffnet zu werden und ihren Inhalt – super nachhaltig und ökologisch versteht sich – wieder auf den kapitalistischen Markt zu werfen? Das bezweifle ich bei näherem Nachdenken, obwohl das den Kindern, die dafür auf die Straße gehen, um den Kapitalismus klimaneutral und nachhaltig zu gestalten (kein Witz!), sicher gefallen würde. Aber das ist ein anderes Thema.
Zurück zu unserem ausgebeuteten, ausgebrannten und zugekoksten Modedesigner. Der wurde anscheinend durch eine KI wegrationalisiert, die zwar nicht billiger, dafür aber aufgrund mangelnden Kokskonsums weniger Rockergang-fördernd ist. Das geschah vermutlich aus dem ökonomischen Interesse heraus, den Modemarkt jenseits von Lederjacken und Blue Jeans am Leben zu erhalten, aber ich schweife schon wieder ab. Diese KI jedenfalls rechnete einige Tage herum, spuckte ein paar Nullen und Einsen aus und kam dann zu dem Schluss, dass ihre ausgebeuteten, ausgebrannten und vollgekoksten menschlichen Vorgänger sich nicht an das beliebte Motto „Think Big“ gehalten hatten. Die KI 78032fGH warf die begründete Frage auf, warum die Propagierung von „neuen“ Retro-Mode-Trends sich in der Vergangenheit ausschließlich auf einzelne Kleidungsstücke oder Accessoires wie Schlaghosen, bauchfreie Tops oder diese engen Halsketten aus Plastik begrenzt hatte. Die neue Idee, die sie in den vergangenen Monaten auf den Markt geworfen hat, war also: Bringen wir die jungen Leute und die, die sich dafür halten, doch einfach dazu, genauso aussehen zu wollen wie ihre Eltern. Und das nicht nur partiell – nein! Von Kopf bis Fuß! Ein Zielgruppen übergreifendes Konzept, gleich zweifach verwertbar. Zuallererst einmal für die Juristen-Söhne und -Töchter, die mit ihren Hemden, Bootsschuhen und Chino-Hosen sowieso noch nie etwas anderes getan haben. Zweitens für die, die nun zwanghaft von Kopf bis Fuß versuchen, wie jemand aus einem Werbeprospekt der 70er, 80er, 90er, 2000er (und nicht der besten Hits von heute) auszusehen. Die müssen sich nämlich nun komplett neu einkleiden, weil Mama und Papa die Klamotten von damals inzwischen entweder zu klein oder zu peinlich geworden sind, um etwas davon aufzuheben. Die Folge: Der Markt boomt, das Kapital wächst und irgendwo auf einer untergehenden Südseeinsel ertrinkt ein süßes kleines Affenbaby.
Und das ist der plausible Grund, warum ich plötzlich in einem Raum voller Menschen sitze, die jünger als ich sind, aber so aussehen wie meine Eltern in den 80ern. Das wäre per se immer noch kein Problem – wenn es nicht furchtbar langweilig wäre. Wie soll man bitte emanzipatorische und progressive Ideen entwickeln, wenn man in der Vergangenheit zu leben versucht? Immerhin bleibt eines gleich, egal was die „Erstis“ tragen: Ich kann sie immer mit der alternativen Musik der 80er, 90er, 2000er und den besten Schrammel-Punk-Hits von heute schockieren – Alexa, spiel „Punk bleibt Punk!“