Helden hassen mit Kristjan Knall.
Das neue satirische Sachbuch (mit Fußnoten!) von Kristjan Knall ist erschienen: Heldenhass. Dieses Mal nimmt der berühmt-berüchtigte Autor mit der Fellmütze sich nicht die Berliner, sondern die Helden unserer Gesellschaft vor und zeigt, welchen Dreck diese Damen und Herren am Stecken hatten. Von Martin Luther über Mutter Teresa bis Willy Brandt. Im zweiten Teil von „Heldenhass“ geht es um die Bösen. Auch dabei macht er es sich nicht einfach, denn: „Man kann nicht die ganze Zeit das pure Böse verkörpern. Ab und zu will man ein Eis essen, mit den Kindern spielen, kacken. Selbst die Bösesten sind Menschen wie wir.“
Laura hat mit Kristjan Knall übers Helden hassen, über Idole, Idiotie und Schokoladeneis geredet.
Ist Berlin so durchgentrifiziert, dass es sich nicht mehr lohnt, darüber zu schreiben?
K.K.: Da geht immer mehr. Die Leute schreiben ja auch noch über New York. Oder schon über Mogadischu. Oder über ihren Tee. Eins der besten Bücher die ich kenne ist „Koma“ von John Niven. Da geht’s um Golf. Verficktes Golf. So lange mir noch Amerikaner ihr grässliches „BÖRLIN IS SOOO GREEEAT!“ entgegen röhren, mache ich weiter.
Es besteht ja keine Knappheit an „Helden“. Wie hast Du die passenden für „Heldenhass“ ausgewählt?
K.K.: Einmal die, die mich am meisten angepisst haben. Ich kotze im Strahl, wenn jemand einen Spruch von Gandhi in der E-Mail-Signatur hat. Jeder, der sich mit sowas schmücken muss, hat Komplexe. Es gibt eine Studie zu Motivationssprüchen: je positiver, desto dümmer die Konsumenten. Religion für Arme. Die Antihelden waren um einiges schwerer. Jemand wie General Butt Naked lässt einen ziemlich ratlos zurück. Dem will man dringend die Fresse polieren, weiß aber, dass es nichts bringt.
Bedürfe es „Helden“ in einer utopischen Gesellschaft?
K.K.: Nein. Höchstens um den Abwasch zu machen oder für Trash-TV. Aber das gäbe es beides in einer utopischen Gesellschaft nicht. Natürlich könnten Menschen so nicht existieren. Die gäbe es in einer utopischen Gesellschaft aber auch nicht.
Du recherchierst für Deine Bücher viel im Internet. Bekommt man da nicht den Eindruck, dass wirklich alle Menschen wahnsinnig sind?
K.K.: Sind sie doch! Was wir so an anderen Spezies ausgerottet haben, davon können sich Asteroiden eine Scheibe abschneiden. Dazu noch Popmusik und Trump? Wir verdienen den roten Knopf. Ich hoffe, Katzen lernen irgendwann reden und übernehmen den Laden. Immer schön streicheln, dann bleibt ihr vielleicht am Leben.
Wie erholst Du Dich davon?
K.K.: Ironischerweise durchs Schreiben. Das hilft sogar gegen mehr, namentlich die Welt. In der Zwischenzeit saufe ich mich besinnungslos, fahre an sehr abgefuckte Orte und streichle Fische im Meer.
In „Heldenhass“ kritisierst Du diejenigen, die unhinterfragt Leute abfeiern. Hast Du selbst keine Idole?
K.K.: Außer mir? Eigentlich nicht. Der Joker ist schon ganz ordentlich, aber leider fiktiv.
Aber Du hattest doch mal welche, oder? Früher?
K.K.: Wirklich nicht. Mich hat es immer angekotzt, zu bewundern. Selbst wenn irgendein Musiker einen guten Song schreibt, der deinem 13-jährigen weichen Gehirn eingedolcht wird: Ich habe mich schon immer von der Person distanziert. An dieser Stelle möchte ich der 90er-Jahre-lachende-Menschen-Werbung danken: Alles, was einem verkauft werden soll, hasse ich. Und jeden.
Hast Du Vorbilder?
K.K.: Auch nicht. Fefe von Fefes Blog schreibt z.B. (bis auf alles, was mit Frauen und Ernährung zu tun hat) prima Sachen, ist aber ein fetter Informatiker. Bitte nicht. Yuval Noah Harari ist unfassbar klug, sieht aber aus wie ein glasierter Apfel auf einem Stiel. Yanis Varoufakis ist verdammt clever, aber fast jeder kennt sein Gesicht und will ihn als Volksverräter mit dem Wagenheber erschlagen. Muss nicht sein.
Jenseits der totalen Verehrung, was macht Menschen noch zu Monstern?
K.K.: Instinkt, Emotionen, Impulse: unser Reptiliengehirn. Wir überleben prima in Stämmen, aber eine Welt, die zu groß ist, um sie zu kennen, überfordert uns. Die ganzen Nazis, die Attentäter, das ist alles nur ein Schrei nach Einfachheit. Und Liebe natürlich. Mit der wurden die schlimmsten Gewalttaten gerechtfertigt. Ich liebe euch doch alle.
Würdest Du nicht auch gern nach Deinem Tod gern einbalsamiert und in einem gläsernen Sarg ausgestellt werden?
K.K.: Auf keinen Fall, ich bin doch nicht Lenin! Ich will kryonisiert werden, ganz klar. Kostet mittlerweile so viel wie ein Netflix-Abo und man hat immerhin eine minimale Chance, wieder aufzuwachen. Bestenfalls in einer Zeit, wo das Bewusstsein der Menschen hochgeladen ist und Roboter arbeiten. Dann kann man für alle Ewigkeit Schokoladeneis essen und Katzen anbeten.
Funktioniert Ethik ohne die Pole „Gut“ und „Böse“?
K.K.: Absolut ja, im Kontext nein. Eigentlich gibt es kein Gut, kein Böse, kein Rot, keinen Geschmack von Schweinshaxen und gar nichts. Voll Postmoderne, voll langweilig. Denn man kann immer Antworten: Also was? Höchstens, dass man Entitäten Misstrauen muss, wie Helden. Vergisst Omi aber, dir Tee nachzuschenken, und du gibst ihr dafür eine Schelle, ist das im Kontext „Nachmittag bei Omi“ schon ziemlich böse. Obwohl, kommt drauf an wie deine Omi sonst so drauf ist, die Sau.
Wen oder was nimmst Du Dir als Nächstes vor? Sind weitere Bücher in Planung?
K.K.: Klar, eins über Berlin in der Sprache des Klassenfeinds: Englisch. Ansonsten ein Anti-Selbsthilfe Ratgeber für Böse. Heldenhass, die praktische Version. Ach so, und eine neue Bibel. In der wird Gott durch Schokoladeneis ersetzt, die Einleitung ist eine aus dem chinesischen mit Google Translate übersetzte Videorecorder-Anleitung. Außerdem habe ich einen sehr grenzwertigen Podcast: Sterben für Profis.
Danke für das Interview!
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