Rezension zu Acht Eimer Hühnerherzen von Laura Alt.

Acht Eimer Hühnerherzen – noch so eine Band, die lange an mir vorbeigegangen ist. Irgendwo im Hinterkopf schwebten sie schon herum, aber eher so als Akustik-Nebenprojekt von Johhny Bottrop von der Terrorgruppe. Dem traut man nach dem ganzen gutgelaunten Skapunk-Frauenbashing („Oh, oh, oh, das tut weh, wenn ich dich und deinen Kinderwagen seh“) eher keinen Feminismus zu – also habe ich das als langweilige Information abgespeichert.

Nachdem ich mich im Lockdown dann nach neuer Musik umschauen musste, weil alles, wozu ich schon mal gepogt oder getanzt habe, depressive Symptome ausgelöst hat, bin ich doch auf den Geschmack gekommen. Vor allem auf das Debüt-Album „Acht Eimer Hühnerherzen“. Objektiv musikalisch betrachtet bewegt sich das Ganze irgendwo zwischen Singer-Songwriter und Pop – super, um allein durch die Wohnung zu hüpfen, wenn man nicht schlafen kann, und allgemein aufheiternd. Bei näherem Hinhören wird es dann doch etwas gesellschaftskritischer und witziger.
Wahrscheinlich liegt das am Renommee von Johnny Bottrop, troztdem zählt die Band zu den wenigen mit weiblichen (Lead-)Sängerinnen, denen man auf dem 0815-Punkfestival begegnen konnte, bevor die Corona-Pandemie mich dazu gezwungen hat, neue Musik zu suchen. Ohne in die „Früher war alles besser“-Mentalität alternder Altherrenbands zu verfallen, haben die Texte eine ordentliche Portion Punk intus. Das ist gelebter Feminismus. Und der macht sich über den Mainstream lustig (und mal nicht den von 1995). Besonders über den pseudo-antimainstreamigen Mainstream der Hauptstadt. Das ist erfrischend. Ich weiß nicht, ob ihr schon mal in Berlin getindert habt, falls ja ist euch der weiße Turnschuhe tragende, „feministische“ Hipster, der gerne kocht, ein Begriff, der mindestens ein Profilbild in Bali geschossen hat. Dass alle furchtbare Angst vor der Gleichmacherei von Linken und auch von historisch realexistierendern Regimen haben, in denen alle die gleichen Klamotten tragen mussten, bekommt beim Tindern in Berlin eine gewisse komische Wendung, die nicht zu verleugnen ist (Die sehen alle gleich aus!). Acht Eimer Hühnerherzen haben darauf aber noch eine andere humorvolle Antwort gefunden: den Song „Eisenhüttenstadt“.

„Du warst in Bern und Caracas, Honduras, La Paz und auf dem Mars. Außerdem in Sankt Tropez. Und wo war ich? In Falkensee bei Spandau. Voll egal, wo du warst oder nicht, Tausend Liebhaber warten hier auf mich!“

Zu viel Politik für euch? Kein Problem, wie gesagt, es gibt genug poppige Songs auf dem Album, die einen zugespitzt-dadaistischen Text haben, über den ihr nicht nachdenken müsst, wenn ihr das nicht wollt („Ich hab mein Handy verlor’n, Samsung und Simkarte“). In „Eis auf Ex“ werden vor einer eingängigen Melodie Eissorten aufgezählt. Ja – das war’s. Aber das ist toll. Einmal um die Laune im Lockdown zu lockern. Und zum anderen ist das Lied eine wunderbare Parodie auf zeitgenössische populäre Musik, ein stechender Stachel der Nonkonformität, der sich vermarkten kann und damit dem Kapitalismus und seinen Subjekten einen Streich spielt … wenn ihr mal wieder zu viel Wein getrunken habt. Es darf aber auch einfach nur Spaß machen – „lol“.

Besonders gern habe ich auch „Mittelmaß“, bei dem die meisten Menschen, denen man es vorspielt, wohl ganz genau zuhören müssen, um sich angegriffen zu fühlen. Ich mag diese gutgelaunte, subtile Beleidigung. Die Plumpheit von Terrorgruppe ist halt Neunziger, sorry. Die jungen Hüpfer von heute wollen es einfühlsam, so, dass man das Messer in der Brust erst spürt, wenn es langsam gedreht wird:

„Mischburg-Radler, Gauloises, 30 Grad im Wellnessbad – ich steh auf Mittelmaß. Spiegel-Online, Rooibos-Tee, die neue Foo-Fighters-CD – Ich steh auf Mittelmaß.“

Falls ihr noch ein letztes Argument braucht, um euch das Album anzuhören: Noch nie hat jemand so schön von Petersiliengranulat gesungen (Min. 0:27).