Ah, Schnipo Schranke! Ich hätte nie gedacht, dass es sich so gut anfühlt, ein 16-jähriges, depressives, kiffendes Mädchen zu sein. Und hässlich dazu. Der Name bedeutet „Schnitzel-Pommes Schranke“, also die Pommes mit Ketchup und Majo. Was gibt es Schöneres als eine plattgeklopfte Leiche in alter Brotmansche mit transfetttriefenden Kartoffelstücken, dazu Zucker mit ein wenig Tomate und gehärtetem Kuheuterdrüsensekret und Brei aus der Frucht des Arsches des Huhns? Widerlichkeit ist bei Schnipo Schranke Programm. „Pisse“ war das Lied der 2010er, einer Dekade, die die Welt nicht gebraucht hat. So gesichtslos, so idiotisch, dass in der Erinnerung nichts zurückbleibt. Wieso sich da nicht in die selbstauferlegte Unmündigkeit zurückziehen mit Sätzen wie: „Warum riecht’s, wenn ich dich küsse, untenrum nach Pisse?“ Oder Knaller wie die Pauschalurlaubspersiflage „Cluburlaub“: „Nackig auf der Cocktailbar, o wie schön ist Panama!“ Dazu ein einfaches Rezept, das verhärmten Kommentatoren der Taz zu „befindlichkeitsvoyeuristisch“ ist. Humorlosigkeit ist das Flaggschiff der Revolution!

Schnipo Schranke war die perfekte Absage an die Welt. Klar ist es ein Rückzug, aber nur zu einem ich, das völlig scheiße ist. Und genau deswegen klasse. Es ist die Musik der Abgesagten, von den Mitmenschen, der Gesellschaft, auf dem Markt. Der Hässlichen. Nicht nur im übertragenden Sinne. Schnipo Schranke hat ihre Hässlichkeit immer gefeiert. Daniela Reis war eine groteske Bohnenstange. Fritzi Ernst ein kleines, maximal unauffälliges Mondgesicht. Auf den Konzerten schmierten sie sich Farbe auf Gesicht und Titten, sodass selbst die Blue Man Group eine Angstpsychose bekommen hätte. Dazu ein einfaches, aber geniales Rezept: eingängige Klaviermelodien, absurd über Zeilen gebrochene Reime und Texte, die vor keinem (Selbst-)Ekel zurückschrecken. Der Ekel des Textes und die Schönheit des Klaviers erzeugen den maximalen Gegensatz. Übersetzt für die Taz: Komik.

Dann kam Ente dazu. Leider keine Ente, sondern ein phänomenal abgefuckter Typ, den Daniela Reis natürlich sofort heiratete. Ein Paar plus eins, was kann da schiefgehen? Besonders, wenn die Abmachung zwischen Reis und Ernst war, nie über Probleme zu reden? Wie soll sich sonst die kreative Depression kultivieren? Irgendwann redeten sie doch, oder besser: explodierten. Irreparabel. Ente und Reis wurden der toxische Fallout von Schnipo: Ducks on Drugs. Dilettantisch ohne Charme, tief, ohne interessant zu sein, visionär unlustig.

Und Fritzi Ernst veröffentliche unter ihrem neuen Namen das Album „Keine Termine“, für das sich jeder freinehmen sollte.

„Sitzkonzert“, wtf? Auch noch im Hipsternest RAW? Es war mein erstes nach dem x-ten Lockdown. Im Publikum alles von Punker bis Studenten, aber meist Frauen. Typen ist Fritzi meist zu schwach, was viel über ihre Stärke aussagt. Ich hatte nur „Keine Termine“ gehört und selbst wenn Fritzi den Rest der Zeit nur autistisch gesummt und gefreebleedet hätte, wäre ich hingegangen. „Keine Termine“ ist mit Sätzen wie: „Alle gehen raus und wollen was erleben, ich will mich übergeben“, eine genial groteske Selbstmordankündigung. Selbst wenn Ernst nicht der neue Falco werden will, war das Konzert der Hammer. Das aufziehende Gewitter verlieh allem die nötige Dramatik, und nach ein paar Songs tanzten doch viele und die Hunde der Punker fraßen, was aus den Leuten fiel. Das neue Album ist definitiv noch depressiver. Aber was erwartet man von jemandem, dessen Eltern Theologen sind? Besonders aber Lieder wie das postironische „Ich flirte mit allen“ zeigen etwas extrem Wichtiges: Hässlichkeit. Meine Theorie ist: Jeder, der nie hässlich war, wird nie interessant. Schipo Schranke war hässlich, Fritzi Ernst ist hässlich. In einer instagramverseuchten Welt der Vergleiche ist allein das genug Grund für eine Dauerdepression. Und der kreative Motor. Wären Reis oder Ernst schön gewesen, würden sie bestenfalls hirnzerfräsenden Pop machen. So aber sind sie das, was viele beim Punk vergessen. Die ganze Anarchie, das Saufen, das Steineschmeißen, alles schön und gut. Aber seine innere und äußere Hässlichkeit auszuleben, dafür braucht es wirklich Mut. Deswegen macht zumindest Ernst jetzt noch verdammt gute Kunst für verdammt abgefuckte Menschen.