Thale - Der FilmVor dem Film:
Da stehe ich in der Horror-Abteilung meiner Videothek und überleg mir, was es denn sein soll und was ich gerade hier zu suchen habe. Splatter mag ich nicht, überzogene Gewalt finde ich affig und wenn`s gruslig werden könnte, mach ich die Augen zu und versteck mich hinterm Sofa. Ich bin ein viel zu großer Schisser und viel zu emphatisch für Horror. Ich bin hier eindeutig falsch. Da sehe ich das Cover von Thale und den Schriftzug „Vom Regisseur von Trollhunter“. Trollhunter ist ein grandioser Fantasy-Doku-Film im Stil von Blair Witch und hat mich derart beeindruckt, dass mich sogar die FSK 16 von Thale nicht abzuschrecken vermag. Ich lese mir den Klappentext durch:
Tief in den norwegischen Wäldern lebt das Fabelwesen Thale (Silje Reinåmo). Der Waldgeist sieht aus wie eine schöne junge Frau. Bis auf eine Kleinigkeit: Sie hat einen Schwanz, der dem einer Kuh ähnlich ist, und ihr Rücken wirkt wie ein ausgehöhlter Baum. Mit ihrem Gesang lockt sie Männer an, die im Wald arbeiten oder auf der Jagd sind. Diejenigen, die ihrem Ruf folgen, tauchen nie wieder auf. Außerdem geht sie einer weiteren Vorliebe nach: Sie stiehlt Kleinkinder von ihren Eltern und tötet diejenigen, die sie nicht sexuell zu befriedigen wissen. Die beiden Tatortreiniger Leo (Jon Sigve Skard) und Elvis (Erlend Nervold) machen mit dieser sagenhaften Figur Bekanntschaft, als sie für einen Auftrag zu einer entlegenen Waldhütte geschickt werden und dort von der stummen Thale angegriffen werden, die dort jahrzehntelang im Verborgenen lebte.
Naja, denk ich mir, klingt extrem doof und extrem platt. Egal. Trollhunter war super – und wenn der Waldgeist eine männermordende Bestie ist und die Schockmomente wie Kuhhufschläge aufeinanderfolgen, versteck ich mich einfach wieder hinter dem Sofa…

Nach dem Film:
Alles Versager! Weil die in der Videothek so einen wunderschön erzählten Fantasy-Film mit solch einer durchdachten, zarten Geschichte in die Horror-Abteilung stecken. Jeder, der auf echten Horror steht, wird diesen „müden“ Film verachten. Da ist nämlich gar kein Horror drin.
Alles Versager! Weil die, die den Klappentext (v)erbrachen, sich anscheinend den Film gar nicht angesehen haben. Ok, Thale ist extrem hübsch und extrem nackt und in gewissen Momenten auch gefährlich, aber weit entfernt von einem sexgeilen, sirenenhaft singenden und männermordenden Monster. Die Charaktere sind vielschichtig und jenseits der Opfer-Täter-Schwarz-Weiß-Malerei entfaltet sich ein kleiner, bemerkenswerter Kosmos.
Alles Versager! Weil das Cover nach einem billigem B-Movie mit platten Spezialeffekt-Orgien aussieht und damit die grandiose Ästhetik der Kameraführung einfach ignoriert. Auf keinem Frauenrücken perlten jemals so schöne Wassertropfen. Gut, die Spezialeffekte sind relativ einfach – aber dezent und wirkungsvoll. Eben nur da, wo es nötig ist und wo es auch einen Sinn hat.
Thale2012PosterAlles Versager!  Weil der Trailer einen Action-geladenen Trip mit Krach-Peng-Bumm suggeriert. Es geht nämlich gar nicht um Geiselnehmer, Verfolgungsjagden und spritzendes Blut. Es geht um die Achtung vor dem Leben, um das Spiel mit unseren eigenen „Gut-und-Böse“-Kategorien und um Befreiung. Wie schon bei Trollhunter verstand es der norwegische Regisseur Aleksander Nordaas, eine mythologische Geschichte in aller Konsequenz und mit aller Skurrilität und ohne Albernheiten in die Neuzeit zu übertragen. Das Ergebnis ist eine Geschichte mit Seltenheitswert, schön, durchdacht und unglaublich glaubhaft.
Alles Versager!  Nur der Geschichtenausdenker, der Regisseur und sein Team haben einen wirklich guten Job gemacht.

Einfach zauberhaft!