Henke – Manegold – Morgenstern am 02.03.2013
Mitten im Harz, am Fuße des Brockens, steht, inmitten des größten Mobilfunkloches der Welt, die Kreuzmühle, ein einst altes, kaputtsaniertes Fachwerkhaus, dem sich der Holzbildhauer Remo Sorge mit all seiner Energie widmet. Seit nunmehr zwei Jahren beobachte ich, wie hier mitten im Wald ein einzigartiges subkulturelles Biotop entsteht, wie eine Location für außergewöhnliche Events, dank vieler Helfer und Mitstreiter immer weiter wächst und gedeiht. Die Veranstaltungen sind mehr als nur Disko. Man ist erfolgreich bemüht, auch musikalisch eine eigene Ästhetik zu etablieren. Und so erklingen hier in der Kreuzmühle sehr oft Lieder, die man sonst in keinem der sogenannten Gothic-Clubs zu hören bekommt.
Die Reihe „Dunkle Kunst“ wartet zudem mit Lesungen und Konzerten auf. Und bei einer dieser Ereignisse durfte ich nun als Lesender und als DJ mitwirken.
Schon zur vereinbarten Einlasszeit war die Mühle gut gefüllt und nachdem eine der ausgebüchsten Hauskatzen wieder eingefangen werden konnte, war für mich und Lisa Morgenstern Showtime. Die ersten Texte aus „Gespräche mit Goth“ trafen auf ein sehr interessiertes Publikum. Dank der großartigen Lisa Morgenstern am Piano wurden diese 45 Minuten die beste Lesung meines Autorendaseins. Auch wenn es nicht sonderlich originell ist, von großen Zukünften zu orakeln, hier ist es durchaus angebracht, war doch unsere Vorbereitungszeit wegen diverser Umstände auf nur einen Tag beschränkt. Doch statt einem Nebeneinander oder einer bloßen Begleitung gelangen Lisa Morgenstern Vertonungen ganzer Passagen, die berührten. Da muss man schon mal die Mütze ziehen, schließlich brauchte ich ja nur Vorlesen, auch wenn das im spärlichen Kerzenschein zumindest optisch eine Leistung war…
Nach einer kurzen Umbaupause rief die Band HENKE zur Weltpremiere ihres Albums „Maskenball der Nackten“, die mit einem viel zu kurzen Akustikset begangen wurde. Wer Oswald Henkes Schaffen seit Anfang der 90er Jahre mitverfolgte, wer Goethes Erben und diverse Sideprojekte miterleben durfte, wird die Aktivitäten von Oswald Henkes neuer Band seit ihrer Gründung mit den argwöhnischen Augen eines Altklugen beäugt haben. Doch im Gegensatz zu vielen anderen Musikern, die ihren Stiefel länger als zwei Dekaden durchziehen, ist HENKE, trotz der unverkennbaren Stimme, etwas Neues. Logisch zog die Band auch mit den Erben-Hits über die Festivals, vermag aber mit „Maskenball der Nackten“ auch gänzlich neue Akzente zu setzen.
Die Band besteht nicht nur aus grandiosen Musikern, auch die Chemie stimmt. Die Herren können mit dem diktatorischen Perfektionismus ihres Frontmanns wunderbar umgehen. Oswald Henke hat sich damit wirklich neu erfunden. Ohne sich dabei zu verbiegen oder irgendeinem Zeitgeist anzubiedern, ist es um ihn laut, rockig und tanzbar geworden. Seine Texte sind von ähnlicher Intensität, wie in jenem Damals, das wir Alten immer wieder zu Vergleichen heranziehen, das aber defintitiv vorbei ist.
Akustisch, mit Kontrabass, Gitarre, Percussions und Klavier und einem sitzenden Oswald Henke war das dann wiederum eine gänzlich andere Nummer. In der Kreuzmühle konnte man ab dem ersten Ton eine magische Intensität spüren. Die neuen Lieder erinnerten in den reduzierten Unplugged-Versionen atmosphärisch etwas an die Klassik-Ausflüge der frühen Goethes Erben Tage. Nach 30 eindrucksvollen Minuten, inklusive einer Zugabe, waren wir uns alle einig, dass HENKE unplugged auf jeden Fall öfters stattfinden sollte.
Gemeinsam mit Herrn Henke legte ich dann eine Party auf, die vom Weine und der guten alten Zeit geprägt war, wobei die Mühle der einzige Ort ist, wo mir die guten alten Hits nicht süß-sauer aufstoßen. Weiß auch nicht, warum. Als dann draußen dem Morgen graute und die Vögel das Zwitschern begonnen hätten, wenn der Winter schon vorbei gewesen wäre, war alles, wirklich alles, wie es sein soll.
Fazit:
Meine Welt hat einen neuen Oswald und seine Band HENKE ein wirklich kaufenswertes Album veröffentlicht. Die Kreuzmühle ist immer noch die beste Location, die ich mit einer Tankfüllung erreichen kann. Ich hatte ein großartiges Wochenende. Und im Sommer bekommt die Welt auch noch ein neues Buch… Mehr geht nicht.
Bilder aus dem Videomitschnitt von Alexander Löbel (Velvet Fotos). Danke!